Full text: Jahresbericht 2023 (2023)

GÜLSÜN KARAMUSTAFA 
THE CITY AND THE SECRET PANTHER   
FASHION, 2007 
Als die türkische Künstlerin Gülsün Karamustafa (*1946 in 
Ankara, lebt in Istanbul und Berlin) dieses Video drehte, 2007, war 
die Debatte um das Erscheinungsbild von Frauen in der Türkei om- 
nipräsent. Diese Diskussion erscheint heute aktueller denn je, 
wenn man an die Situation im Iran denkt. Die Künstlerin entwickel- 
te dazu die Idee eines fiktiven Freiraums, in dem Frauen tun kön- 
nen, was ihnen beliebt. Dabei treffen sich fünf Frauen heimlich in 
einer Istanbuler Stadtwohnung und frönen ihrer Leidenschaft. Die- 
se besteht darin, sich im «Leopardenlook» zu kleiden und darin 
Spass zu haben. Die Frauen posieren in Kleidern, die mit Tiger-, 
Jaguar- und Leopardenmustern überzogen sind für Fotos und ge- 
ben sich zwischendurch kulinarischen Freuden hin – sie vergnügen 
sich und das ohne Männer! Der «Leopardenlook» weckt ganz un- 
terschiedliche Assoziationen, von Sexyness und Wildheit über Ver- 
ruchtheit bis hin zur Machtsymbolik von Herrschern, die in frühe- 
ren Zeiten edle Tierfelle trugen. Das Video wird von einer groovigen 
Gitarrenmusik begleitet. Zwischentitel in der Anmutung von 
Stummfilmen der 1920er-Jahre erklären, was die Frauen machen 
und verleihen den Szenen etwas Zeitloses. Mit dem wiederholt ein- 
gespielten Blick auf die Uhr ahnt man bereits, dass die heimliche 
Auszeit vom eintönigen Tagesablauf ein Ende haben wird. Wieder 
in ihren Alltagkleidern machen sich drei der Frauen auf den Weg 
nach Hause, um sich um ihre jeweiligen Familien zu kümmern. 
Das Video, das eine Prise Humor enthält, bekräftigt Gülsün 
Karamustafas feministischen Standpunkt. Es handelt sich um eine 
Form von Selbstermächtigung, bei der sich Frauen – nicht nur in 
der muslimischen Welt – keine Kleidervorschriften mehr geben 
lassen wollen. Zugleich lässt der Innenraum aber an den Harem 
denken, an den geschützten Wohnbereich, in dem Frauen im ehe- 
maligen Osmanischen Reich (1299 – 1922) unter sich gelebt haben.
	        
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