RICHARD SEEWALD
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VORREDE ZU „ROBINSON DER SOHN ROBINSONS
ODER DIE VIER JAHRESZEITEN
ODER ORBIS PICTUS“
Wenn ich dieses Buch „Die vier Jahreszeiten oder den Orbis Pictus“
genannt habe, so ist dies ein Bekenntnis zu jenem Erdkreis, den die
vier Jahreszeiten regieren, wıe sıe der unsterbliche Breughel gemalt
hat, über dem Morgen und Abend, Tag und Nacht wechseln, wie sie
schwermütig sitzen auf den Gräbern der Mediceer, und über dem die
Sonne aufgegangen ist von Osten und noch strahlt ım Zenit vom Mit-
telbild des Isenheimer Altars, nachdem die Bergeshäupter Griechen-
lands lange schon rosig von ıhr glänzten, als sie noch unter dem Horizont
war. Wir lassen also außer Betracht jene exotischen Gegenden, von
denen wir als Knaben träumten und die uns zum Überdruß bekannt ge-
worden sind durch ihre Eroberung mit Blitzlicht und Büchse, und von
deren Gefahr- und Harmlosigkeit wir uns überzeugt haben durch die
Gefahr- und Harmlosigkeit ihrer Bezwinger und nehmen nur ıhre
Namen als Farben auf unsere Palette.
Junge lächelnde Negerin! Die schöne Hügellandschaft deiner Brüste,
in der die Phantasie unserer Knabenjahre ‘glühende Spaziergänge
machte, seit wir dich von den Titelblättern unzähliger Journale lächeln
sahen, bist du uns gleichgültig geworden, und begehrenswerter erscheint
uns die eherne Brust des Reiters zu Padua.
Ihr Urwälder Südamerikas, Zentralafrikas, ihr Dschungeln Indiens und
Atolle der Südsee, eure zu bekannten Geheimnisse wünschen wir nicht
mehr zu sehen, sondern verlieren uns ın die stets neuen Dickichte
Shakespeares.
Euer blasses Feuer aber, ıhr fragwürdigen Lichter, die ihr meist auch
alle aufgegangen seid im Osten, euch sehen wir endlich wieder erblassen
vor den heller strahlenden Kerzen des Altars und dem Glanz der er-
habenen Glatze des Sokrates, während der lieblich lächelnden Göttin
marmornes Antlitz wieder ersteht über dem dunstigen Gewölk dämo-
nıscher Künste.
Wir, die wir die Reise lieben, wir werden damit endigen, auf dem
Rücken zu liegen und die Reise in uns selbst anzutreten.
Wir, die Gefahr lieben und sie suchten auf den vorgeschobenen Flan-
ken, wir lieben jetzt die Mitte als die gefahrvollste Stelle. Denn sehet
den Bogen an: Wenn er ruht, so sind es die vorgebogenen Hörner seiner
Enden, die voran weisen, wenn er aber gespannt wird, dann wölbt sich
die Mitte voran und sie ıst bestimmt - vielleicht - zu brechen.
Und daß er heute gespannt ist, wer wollte das bestreiten !
Lassen wir also, unsere „Avantgardisten“ in die Tuba ihres Lautspre-
chers ihren Fortschrittsmarsch blasen, und singen wir die Schönheit dieses
Erdkreises, den wir beglückt das Abendland nennen, und genießen wir
sein Ol und Brot und Wein.
„.