Full text: Brief, Oskar Schlemmer, Professor an der Staatlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe Breslau, Kaiserin-Augusta-Platz 3, Tel. 51905 (Wohnung: Steinstrasse 9a, Tel. 39660), Züricher Kunstgesellschaft, Kunsthaus Zuerich, Herrn Direktor Dr. Wartmann, Breslau, 18.Febr.31

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©SKAR SCHLEMMER 
@®skar Schlemmer ist veller Figur. Ven ihr geht er aus, bei ihr mün- 
det seine bisher fünfzehnjährige Arbeit. Diese Figur war zuerst auf 
charakterisierende Akzente gestellt bis zur Karikatur, wurde ge@- 
metrisierened bis zum Ornament, teilweise mit mathematischen Hilfs- 
kenstruktionen, und stieg bis zur gefühlsmäßig neutralen, zeitlesen, 
aber höchst aktuellen Ausformung des Menschen im Sinne Seurat' 
scher Klassizität. der Weg führte ven Dada über surrealistische 
Abgründe zur klassischen Ferm, seweit man angesichts einer neuen 
Bewußtseinslage einen historischen Ausdruck zur Angabe der Weg- 
richtung gebrauchen darf. Seine Figuren sind klassisch im Sinne 
eines absoluten Gleichgewichts ven Gehalt und Ferm, Leben und 
Gesetz, Vital und gebaut, aktiv und dech gebunden, tatsächlich und 
hintergründig, räumlich und in die Fläche gebunden, weil Schlemmer 
ven den Gesetzen der Wirklichkeit ebenseviel weiß wie ven denen 
der Kunst. Diese Poelarität bleibt im Bilde fühlbar und zwingt den 
Maler zu immer neuen Bildfassungen und Anläufen, zu wissenschaft- 
licher und künstlerisch-intuitiver Kenzentratien, zu Mathematik und 
Symbel, bis am Ende der Mensch als freies Wesen dem Schicksal 
Bild erliegt und mit ihm ein neues Leben eingeht. Schlemmers 
figurale Phantasie läßt eine Welt ven Menschen erstehen, ven einer 
körperlich-tänzerischen Vollkemmenheit, die den Geist in sich begreift. 
Nur daß dieser kein tintenklecksender, sendern ein Nietzschescher 
ist, der alle Vorzüge der Verurteilslosigkeit und der Verantwertlich- 
keit besitzt. Seine Versuche im „Triadischen Ballett‘ und auf der 
®pernbühne halfen ihm, die Zusammenhänge zwischen Körper und 
Geist für die Malerei neu erkennen, 
Die Bilder Schlemmers sind die Verwirklichung eines Wunschtraumes. 
Se haben wir uns den Menschen dieses Jahrhunderts vorgestellt, 
als eine Synthese ven Freiheit und Bindung, Überlegenheit und Prä- 
zisien, Intuition und Vernunft. Er lebt verläufig leider nur. in ver- 
einzelten Bezirken der Kunst. WILL GR@HMÄANN
	        
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