4
Zweifeln, Widersprüchen und Schmerzverzerrtheit) nicht in
unserer Malerei schaffen, sondern dieselbe vielmehr als Gelegen
heitsgeste betrachten, die zufällig die Schwelle inneren Seins
überschritt und formal wurde, so wird das Dasein — Tätigkeit.
Wir wissen ja, wie tief bedeutsam alle Fragezeichen sind, die
durch nichts gelöst werden sollen. — Aus diesem Zustand
(Wissen) Resignation schöpfen und dann dem Leben die Momente
stehlen, in denen es matt läuft, um schnell „eins zu malen“ ist
die Lügenhaftigkeit Erwerbender. Verlogen sind die, die ihren
Verstand auf Entdeckungsreisen schicken, und auf ihre eigene
Skala warten, statt zu riskieren, in einer zu großen Perspektive
zu verschwinden — Die Komplexheit zu dem Preise des „Sich-
nichtrührens“ ist die bürgerliche Feigheit der die eingewachsenen
Konventionen charakterlieb geworden sind, so daß ihnen das
Greifen nach Negerplastik und Kubismus als kokettes Kunst
stück erscheint, an denen sie ihre geistigen Urteile des „Immer
an der Wand entlang-Denkens“ entwickeln können. Sie glauben
nicht an die Möglichkeit, sich als Maler gedankenvoll zu ent
scheiden. Der Begriff Entwicklung ist ihnen nicht klar; daß
jemand nach natürlich Aussehendem zu Konstruiertem kommt,
ist ihnen nur das Schauspiel von Seelenangst (in Wirklichkeit
wohl gerade umgekehrt, endliche Befreiung und herrscherliches
Walten in ungeahntem Stoff). Da ihnen immer die größtmög
lichste Stützfläche das größtmöglichste Persönlichkeitsbewußtsein
bedeutet, so begreifen sie nicht, daß gerade die Gestütztheit
Hemmung sein kann. Die Erfahrung, unangewachsen da zu
sein, widerspricht ihrem Durcheinanderdasein; während sie ver
muten, daß die Adoption unmöglicher malerischer Gewaltmaß
regeln Entwicklung aufhebt, so existiert sie erst seit diesem
Schritt (tat ihn auch ein anderer schon früher) und dem schwie
rigen Menschen entlockt die unirdische Situation seinen Sinn.
Hans Richter,
z. Z. Berlin.