Full text: Félix Vallotton - 1865-1925

Meissonnier sich bekennt. Wir sehen auch die menschliche Innig- 
keit, im Küchenbild, oder im Krankenzimmer, wo es leicht wäre, 
in die auflauschende Kranke und die lichte Pflegerin eine Ver- 
kündigung, Jungfrau und Himmelsbote, hineinzusehen. 
Später, da der Schweizer mit dem wilden Getriebe der Haupt- 
stadt in nähere Berührung kommt, wo Spott und Lächeln oft die 
einzigen Waffen sind, wird es ja anders, aber auch da sieht er 
über dem Kleinen auch das Große. Neben den rosaroten Weib- 
lein und den dicken Kleinbürgern stehen die Bildnisse der beiden 
Schauspielerinnen Marthe Mellot und Missia Godebska, und wenn 
nicht immer die Menschen, so haben in den Int@rieurs aus den 
Jahren um 1900 immer die Räume und Dinge die große Haltung. 
Mit den Jahren wird ihm zusehends wertvoller als menschliche 
Schwäche die menschliche Würde. Wenn er noch kurz nach 1900 
unter dem Titel „Schuld und Sühne“ sich spottend mit dem Klein- 
krieg zwischen subalternen Bürgern und subalternen Figuranten der 
Staatsgewalt abgibt, so wagt man an diese Blätter nicht mehr zu 
denken vor dem Triptychon, das während des Krieges mit dem glei- 
chen Namen als Verklärung menschlichen Schicksals entstanden ist. 
Auch wenn er sich selber auferlegt, die Schönheit da hervor zu 
zwingen, wo sie sonst nicht zu hausen scheint, erreicht er über Strenge 
und Kühnheit das Ziel. Die Kartenlegerin und die Frau mit der 
Katze gelten manchem als unerfreuliche Bilder nach unerfreulichen 
Vorwürten. Vallotton hat aber ihre Elemente so weit vereinfacht 
und verstärkt, daß nichts von Dingen, Formen und Farben innerhalb 
des Rahmens bleibt, das etwas anderes wiederholen würde, als was 
das Bild. aus seinen Tiefen, als Ganzes sagt. Damit setzt er hoch 
über Schön oder Nichtschön des Vorwurfs die Reinheit der Form 
und des Inhalts und macht so auch den Vorwurf schön. 
Hölzern und kalt sei das Bild der tünf Maler. Mit dem Blick für 
das Spiel der Hände beleben und erhellen sich auch die Gesichter 
und wird die innere »pannung wach zwischen den um den Tisch mit 
einander beschäftigten Freunden und ihrem stillen Gegenspieler, 
vier gegen einen; es beginnt im Bild wie im Betrachter zu arbeiten, 
das Bild wird intensiv, waım und vertraut: das Erlebnis vor allen 
Bildern Vallottons, wenn wir zu ihrem Inhalt dringen, der Wahr- 
heit ist. 
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