Volltext: Neue Jugend (1-5;7-11/12)

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DIE JUGENDBEWEGUNG 
VOR DER GEISTIGEN ENTSCHEIDUNG® 
Wenn man die geistige Lage eines Volkes dadurch auf der Karte markieren 
könnte, daß man die Höhepunkte, die Stellen der größten Intensität und der 
ursprünglichsten Geborenheit miteinander verbände, wenn es möglich wäre, 
Wetterkarten des Geistes herzustellen, die auf die Altersklassen bezogen 
wären: so zweifelt niemand daran, daß die dichtesten Linienbündel über die 
jugendlichenMänner laufen würden. Hier, wo der Wille zum Nicht*Relativen 
am stärksten ist, wo die ungehemmte Geistigkeit noch kümmernislos her* 
vorbrodelt, hier ist der eigentliche Sitz des geistigen Menschentypus. Nachher 
beginnt der große Aufsaugungsprozeß, den die bürgerliche Gesellschaft unter* 
nimmt. Die geistigen Werke werden das Opfer ihrer eignen Interessant* 
heit und ihre Schöpfer das Opfer des bürgerlichen Bildungsdranges. So 
ziehen sie fort in Scharen von der Berufung zum Beruf, zum Intensiven, 
zum Extensiven, von der Höhe zur Breite, von den Wenigen zu den Vielen, 
von den Geistigen zu den Intellektuellen. Und wenn man nun suchen geht 
in den älteren Altersklassen, zwischen 30 und 70, dann verklingt die rufende 
Stimme echolos im leerenRaum: kaum hier und danoch ein jugendlicher Mann. 
Kaum ein einziger und sein Eigentum. Alles ist enteignet und verpfändet. 
Wo ist die Rettung . . . ? Wie kann man die Besten vor ihrem Untergange 
bewahren, der in dem Aufstieg zur bürgerlichen Höhe liegt? — Man mache 
ihnen die Urheimat erträglich,* man dulde nicht weiter, daß sie einsamer sind 
als sie sein wollen. Man schließe ein Defensivbündnis zu ihrem Schutz. Die 
Front wird immer breit genug gehalten sein. 
.. . Zu wem reden wir also? Wer ist das Volk, das am Fuße unserer 
Hügel kauert? Sind es die Greise, die den Vorduft der Grüfte in den 
Haaren tragen? Sind es die wohlbestallten Bürger mit dem gesicherten 
Leben und den festen Überzeugungen? —'Von allen diesen ist nichts zu er* 
warten, und keiner von uns denkt an sie, wenn er spricht. Aber wir reden auch 
nicht zu den Oppositeuren von Beruf und den Wichtigtuern des Kontrastes. 
Wir reden zur Jugend. 
Denn dorthin redete jeder bisher, der im Aufrausch des Geistes lebte. 
Aber nicht zu der beliebigen Jugend. Nicht zu der, die schon weiß, was aus 
ihr wird, nicht zu den Bürgern unter ihr, sondern zu der wagemutigen, die 
sich bewegt. 
®Mit Erlaubnis des Verfassers abgedruckt aus »Die Intellektuellen und die Geistigen«,- vgl. 
Anzeige auf dem Umschlag. Der Herausgeber.
	        
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