Tintenfische gleich — in die Trübheit der eigenen Säfte einhüllte, ist freilich
unangreifbar, — aber er Schlucht auch selber die Trübheit auf, und das
ernste Gesicht des Eros ersteht niemals in ihm.
Die zweite Feigheit, die durch jene Wortserie und ihre Abkömmlinge
gedeckt wird, geht auf die Geisteshaltung selbst. — Wer dem Geiste ver
fiel, ist in Lebensgefahr. Die geistigen Menschentypen haben einen Dorn
im Innern, der sie jeden Augenblick zum Wahnsinn aufpeitschen kann. Die
Intellektuellen schützen sich durch jenen Prozeß, den wir eben durchgegangen
sind. Die jetzige Jugendschaft findet Schutz im »Gemüt«. Durch unkontrolliert
bare vorgeblich »tiefe« Erlebnisse, durch das berühmte »innere Fühlen«
wird die Giftigkeit des geistigen Bisses gelindert. Die heilige Erkrankung
des Tiertypus Mensch am Geist wird wie ein gewöhnlicher Schnupfen be
handelt. Mit Gemüt gegen den Verstand vergehen heißt — in fast allen
Fällen — vor der eigenen Gesetzlichkeit des Geistes fliehen.
Wir wollen einmal vorübergehend alles, was diese Jugend heute noch
schreibt und denkt und singt, ernster nehmen als alles, was alle Professoren
über den Krieg gesagt haben <was immerhin ein recht erhebliches Opfer
des Intellektes bedeutet). Aber wir nehmen es nur deshalb ernster, weil
hier Keime ruhen, die aufschießen können, und weil es Jugend ist. Alter
gelte vorläufig als Einwand. Dies alles aber kann nur dann geschehen,
wenn es wirklich Keime sind, wenn wirklich der Ernst dieser Seligkeit,
die wir ihr wünschen, schon in ihr steckt. Einer Seligkeit, die weder auf
dem Umwege der Intellektuellen noch auf dem Wege des Gemütes erreicht
werden kann, sondern allein durch den Geist und durch den Eros. Latini*
tät wollen wir von dieser Jugend — gegen »Germantik«. Talmud gegen
Talmi! Einen Instinkt für die Mittel wollen wir bei dieser Jugend, den
Geruch dafür, daß man nicht wahllos gegen und für eine Sache sein darf.
Man darf gegen Wissenschaft sein: aber nicht als Naturmensch mit Roh
kost, sondern mindestens als Forscher. »Kalter Intellektualismus« — dieses
Wort sollte ein für allemal verboten sein, denn Kälte ist fast immer ein
Vorzug und Intellekt erst recht. Man darf gegen Aufklärung sein: aber
nicht als Mucker/ und man darf nicht für Aufklärung sein als liberaler
Bourgeois. Man darf gegen Religion sein: aber nicht als »Monist«,- und
man darf für Religion sein — aber auch nicht als Monist. Man darf für
Kunst sein: wenn man die Distanz vor den süßen Gefühlen wahrt und
mindestens so gut denken kann wie Sokrates. Man darf Antisemit sein,
aber nur als Jude. Man darf gegen Gustav Wyneken »sein«, aber nur:-
wenn man Seinesgleichen ist. Hans Blüher
12Ö