Volltext: Neue Jugend (1-5;7-11/12)

Morderchei' Theodorio und Calmus Je- 
zowa, ein Mann mit gütigen Priesteraugen 
und milder Freudigkeit, waren die letzten 
der Häuptlinge, die denMalik in der Frühe 
verließen. Gad, Asser, Memed und Salo 
mein wandelten schon kurz nach Mitter 
nacht auf Raten JussufAbigails heim. Asser 
trug eine Verwundung durch einen Dorn 
der Rose auf der Wange, die den Kaiser im 
Anblick der Schönheit Assers störte. Den 
herrlichen Jüngling beschenkte der Malik 
mit Haarperlen und allergold Damast. Nur 
daß Assers Herz am Wesen der Frauen 
hing, verargte vielfach die Freude des Kai 
sers an seinem Häuptling. Denn Jussuf 
Abigail verbarg seine Abneigung gegen 
alles Weib, schon als Prinz von Theben, 
nie. Und die geraubte Venus von Siam be 
trachtete er nur wie ein unvergleichliches 
Kunstwerk. »An dem Kultus, den der Ma 
lik um seine Mondfrau baut,« so nannten 
die Menschen in Theben die siamesische 
Venus, »wird sie zu Alabaster werden.« Gad hatte Verständnis für des Kaisers 
Abneigung gegen Eva,-trotzdem gerade das Himbeerträumerische in Jussuf, die 
Farbe der Prinzessinnenseele, ihn entzückte, und er durchschaute Seinen Kaiser, 
wagte die Beeren der Sträucher Seiner Seele zu pflücken. Manchmal begleitete 
er Ihn alleine auf den Hügel der Stadt,- dort betete Jussuf Abigail so gern zu Gott. 
Die großen Vögel setzten sich dann zu Ihm. Sie verstanden die abgebrochenen, 
wilden Laute Seines Flehens. Er selbst ein goldener Geier unter ihnen. Am Abend 
aber begleiteten den Kaiser außer Gad noch seine beiden jüngsten Gespielen, 
die Häuptlinge Memed und Salomein auf eine Wiese, die hinter dem Garten 
des Palastes lag. Memed legte sich immer einen Kranz ins Haar, und Salomein, 
Jussufs treuster Häuptling, trug in seinen dunklen Augen dem Malik ewig sein 
blaues Herz schwärmerisch entgegen. Seiner Stirne Mitten schmückte ein Stern. 
Die vier hohen Menschen spielten sorglos wieder Spiele ihrer Kindheit. Auf Bret 
tern, kreuz und quer gelegt, schaukelten sie auf und nieder und übten sich im 
Bogen und Pfeil, die sie selbst aus Bambusrohren schnitzten. 
Else Lasker-Schüler 
(Fortsetzung folgt) 
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