Volltext: Neue Jugend (1-5;7-11/12)

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VAN GOGH 
Das starke Temperament der großen Epoche war ein Sonnenanbeter: Vinzenz 
van Gogh. Ein durchaus religiöser Mensch, aber ein Kind im Glauben an Felder, 
Bäume, Farben, Hitze, lebendige Südlichkeiten. Ganz ein Kind unsrer materia 
listisch befangnen Zeit. Was brach ihn, brachte ihn zum Wahnsinn ? Daß es nicht ge 
lingen kann, Ekstase, die in der eignen Seele entbunden ist, hinauszutragen in eine 
Umgebung der Anschauung,- oder besser, sie in Pflanze und Staude hineinzugeheim- 
nissen. Er wäre gesund gewesen, wenn er sich in visionäre Farbenmetaphysik ver 
stiegen hätte, nun aber krampfte er sich an Bäume, verschwärmte sein Erleuchtetsein 
über Gemäuer und Gegipfel, starrte festgebännt in die Mittagssonne, verlangte 
Seele, die er übermächtig inne hatte, von draußen, vom Unbeseelten und Unseligen. 
Die Gegenstände sollten sprechen, wo Schweigen ihre Natur war: schreien, ihm, 
dem Genialsten, ihr Wort verkünden,- doch nicht, um zu beruhigen, sondern um ihn 
zum Echo zu machen. Der Mensch das vielseitige Echo der Dinge! Dieses Auf- 
denkopfstellen der Hierarchie in der Schöpfung wurde zum pantheistischen 
Wahnsinn. Daran starb van Gogh. Eine große Natur sollte zugrunde gehn. So 
mußte es einmal kommen. Van Gogh aber ist der erste Expressionist. Wir gehn 
heute naturgemäßere Wege. Unsre Voraussetzung ist der Mensch. Er ist der 
Herrschende,- deshalb hat das Riesentemperament van Gogh nicht geradewegs 
beeinflußt. Es ist unglaublich, wieviel von Technischem von Optik, Wissenschaft, 
Materie damals gesprochen wurde. Es war eine Besessenheit. Eine grundbedingte, 
schöpferische. Im Vergleich zu jeder andern Kunst brachte aber das große Frank 
reich des vorigen Jahrhunderts gerade ein Geistiges.
	        
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