Full text: Neue Jugend (1-5;7-11/12)

So bunten, grellen Federnputz 
Erreicht in schriller Farbenreih 
Allein der Schmuck vom Papagei, 
Wie eben ihn mit großer Pracht 
Der Abend auf dem Flaum entfacht, 
Wo selbst das Röteste und Allerblauste 
Der Wind geschmackvoll zueinanderkrauste! 
Die Nacht ist eine Mohrin, eine Heidin! 
Mit nacktem Busen, bloßem Bauch 
Betritt sie sanft die holde Stadt Venedig. 
Sie trotzt dem fremden Christenbrauch/ 
Der starkbehaarte Teil der Scham 
Ist jeder Überhülle ledig. 
Sie bleibt bei uns, so wie sie kam. 
Und um sie her nimmt alles seinen ungezwungnen Lauf, 
Doch fällt im großen Dunkel so ein Schamteil wenig auf. 
Der Mohrin Nacktheit merkst Du kaum/ 
Man schmückt und ändert bloß den Schleiersaum, 
Den dieses Weib so üppig durch Venedig schleift, 
Daß sein Besatz noch weithin die Lagune streift. 
Mit Flammengarben aller Art, 
Mit Purpurzungen, blut'gen Flecken, 
Mit manchem fahlen, halbverblaßten Bart, 
Will in Venedig man den Schleierrand bedecken. 
Am Lande wird das Flammenband, 
Nach alter Art, als langer Flammenrang gewahrt: 
Den Zauber aber müssen Meerreflexe erst erwecken! 
Frohlocken will die ganze Stadt! 
Mit langgezognen Kantilenen, 
Mit eigentümlich süßlicher Musik, 
Mit Tönen, welche Lüste nur ersehnen, 
Mit Trommelstreichen wie im Krieg, 
Mit Lustfanfaren nach dem Sieg, 
Mag man die Mohrenkönigin empfangen: 
Und wenn sie schon berauscht vorbeigegangen, 
So heften wir auf ihre Schleppe Purpurspangen. 
Ist sie dann fort, kriecht alles Glutgewürm zur Rast,- 
Die Flammenschlangen, die der Menschenhand entstammen, 
Verbergen sich vor uns in großer Hast: 
Und tiefverringelt im Morast, 
Muß ihre Brut wie Aale grau verschlammen ,• 
Und auch der Schwarm von grünen Feuerfröschen 
Wird bald im dunklen Sumpf verlöschen. 
1"Beodor DäuBCer 
235
	        
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