Volltext: Neue Jugend (1-5;7-11/12)

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Die erwachenden Rosen. 
Für K. F. 
Die Worte seien Dir ein leichter Hauch 
Von fernen Tönen, die wir gerne hören. 
Für mich sind sie zu viel, ein müder Strauch 
Von weißen Rosen, die mir nicht gehören. — 
Weiße Rosen blühen vor meinem Fenster, so weiß und 
unberührt wie der Jungschnee, den die Sonne küßt und 
tauen läßt, ehe er auch nur einen Tag die Wiesen hat 
bedecken können. Weiße Rosen. Sie haben im Sommer ge 
blüht. Und nun ist Winter. Aber bald wird der Frühling 
kommen und meine Rosen wecken, die dann der Sonne ent 
gegenblühen werden in seidigweißer Schönheit. 
Mitten in sein Leben hatte sie gegriffen und ihn erfaßt. 
Er hatte zwei Leben geführt. Ein Leben in der Wirklichkeit 
und ein Traumleben hinter Illusionen, die ihn berauschten. 
Dann schlug eine Welle alltäglichen Lebens in seinen Traum, 
wie eine Meereswelle voller Tang in das mit Süßwasser ge 
füllte Bassin des am Strande spielenden Knaben schlägt und 
das klare Wasser schmutzig und trübe macht. Und diese 
überkommende Welle trüben, schlammigen Lebens ließ ihn, 
der wie ein Schifflein auf klarem und ruhigem Wasser 
schwamm, heftig schwanken, und endlich, vollgesogen mit 
Schmutz und Schlamm, drohte er zu versinken. — 
Da war sie plötzlich in seinem Leben. Ihm war, als sei 
sein Leben in der Wirklichkeit nebelfern und verschwommen, 
und es versank in einem Meer von Erinnerungen, und leise 
nur tönten ferne Töne zu ihm wie das leise Gemurmel einer 
fernen Brandung. Dann trat sie in sein Leben, und füllte 
es aus, und seine Seele, eine Schale, war voll ihrer Persön 
lichkeit, ihrer leise betäubenden Haare, ihrer schmalen, 
langen Hände und ihrer kalten Augen, deren Klugheit groß 
war, sehr groß. Und dann hatte er alles gegeben, was er 
hatte. Seine Seele hatte er ihr gegeben, seine symphonische 
Seele. Und hatte alles gegeben und behielt nichts. Und 
War doch glücklich! Und ihre Seele — die der Wind 
küßt — hatte sich ihm erschlossen, verschämt, wie die 
wunderkalten Narzissen ihren Blütenkelch der Sonne öffnen. 
Er liebte sie. Wie man eine Mutter, eine frühverstorbene, 
liebt. Und hatte ihr alles gegeben und behielt nichts, der
	        
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