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Kritisches Tagebuch.
1.
Der Dichter — umgewandten Blicks — erkennt, daß
ihm von Redaktionswegen zeitweis die Entscheidung über
bös und gut obliegt. Seine angebrannte Zigarette, die ihn
in die entlegenste Welt des Wachtraums zu entführen eben
nn Begriff war, wird von rücksichtslosen Fingern zerstört
und fortgeschmissen. Die Gedanken werden einzeln zu
rückgeholt. Denn wo sind sie? Rede, Wachtraum. — Und
doch, lieber kein Erinnern. Wir sind zwei Welten.
O — Li —! Man sehnt sich nach den Bergen! Denn
— weiß der Teufel! — die Sonne kitzelt einen in die Höh.
Man ist nicht Bürger — man spräche sonst: „Der Mai ...“
Aber man ist Dichter. Zum Henker — wahrhaftig. Also
rurück.
Wo beginnen?? Sagen wir —
(Eh man wieder im andern Geleis ist!! O Li —!)
2.
Sagen wir —: Deutsches Künstlertheater. Hier trat
ein kleiner Rheinländer vor die Rampe, fand in irgendeinem
ermunternden Zuruf ein Recht des Verneigens. (Wie ich
nun einmal bin, packt mich grause Lust, das Publikum zu
kritisieren. Aber ich soll ja —
Man sah nämlich da Leute, also Leute, ... Ich soll ja
aber — Herrgott! — das Stück . . .
Gut. Zurück. Nämlich es heißt: „Schneider Wibbel“.
Historischer Ausschnitt ohne Anspruch, es zu sein. Ein
Beitrag zum Napoleonismus? Nein. Ein Kulturholzschnitt.
(Ein Kulturchenholzschnittchen.) Die personae, als da sich
tummeln: ein Schneider, Gattin, zwei Gehilfen, Freunde
und dergleichen —, laufen ganz nett und lustig daher,
reden ganz gut distanziert, sind am Ende ganz amüsant.
Hier ist wohl auch das Wesen und die bescheidene Absicht
des jungen Autors Hans Müller-Schlösser: il est amüsant,
parfaitement. Dabei etwas Sympathisches. Mitten drin im
schönsten Drauf-los-fabulieren, ganz ohne Wollen und
Suchen, taucht er ein Sekundchen unter die Oberfläche,
die Farce wird Satyre (Begräbnis-Bild), es wird was tieferes
gesagi. Augenblicklang zieht der Verfasser den linken Mund
winkel hinunter. Drauf beide wieder in die Höh. Die
Satyre kippt um, wird Behaglichkeit, wie vorher.