Volltext: Neue Jugend (1-5;7-11/12)

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Die Barmherzigkeit des Propheten. 
Die Sonne brannte durch Dämpfe, die aus dem dröh 
nenden Berg gerissen braun verwehten. An einen schatten 
losen Felsen hingewurzelt, schlug Moses die Täler seiner 
Erkenntnis und seines inbrünstigen Wissens von Gott in 
steinerne Tafeln. 
Und Gott schrie seine Gewalten gegen den Propheten, 
daß er erzitterte. Aber er grub sich fest an den Felsen, 
schleuderte seinen Eifer auf die Tafeln und band sich zu 
sammen. Krumm fuhr er in die Leidenschaftlichkeit seines 
Willens nieder und bog seine Gedanken zu eisernen Riegeln. 
Seine Kniee bluteten von den Steinen, auf die er sich 
niederstieß, um anzubeten; die Wildheit seiner Liebe warf 
ihn der Offenbarung hin, daß er Mund Gottes würde. Das 
überfiel ihn wie Schrei Sterbender, unausweichlich. 
So wurde er durch alles menschliche gerissen bis es 
ihn fortnahm zu 'seinem Volke, daß er sich auftäte und 
.seine Seele vor ihm blute. 
Wo der letzte Fels sich abwarf in die Wüste, sah er 
die gelben Zelte hocken; das Volk aber hatte sich das 
Bildnis eines Stieres gegossen aus seinen Kostbarkeiten, 
denn es hatte Moses vergessen. 
Da ergrimmte Moses über seine Einsamkeit, sich preis 
zugeben den Tanzenden und seine Stille schwoll zornig 
gegen die Singenden. Es riß ihn auf, da er ihre bunten 
Kleider sah; sein Wille zersprang und er schmetterte die 
Tafeln seines Glaubens an den Fels, daß der Schiefer ent 
blättert brach. 
Aber als die Sonne grell auf das Gold des Stieres stach 
und die Inbrunst der Gesänge sich klammerte an das Bild 
und rang um kargen Sinn, erkannte Moses die Ungeduld 
des Volkes, sich hinzugeben und fromm zu sein. Und als 
die Frauen die nackten Arme gegen den Altar flehend 
stießen, sah er ihre weinende Armut vor Gott sehr demütig 
ausgebreitet. 
Da erbarmte er sich der vielen Fremden und hob seine 
Schwere zum Berg hinauf, um seinen zertrümmerten Gott 
wieder zu suchen. 
Aber er fand in dem verglimmenden Brand seiner Seele 
nur noch Gesetze. 
Akmar Erich Günther.
	        
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