Volltext: Neue Jugend (1-5;7-11/12)

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staltet. Und daß das Einwirken der ersten unklaren Ge 
schlechtsregungen sowie die in jenen Zeiten besonders star 
ken ausschlaggebenden Schulpflichten, von denen Moritz sehr 
abhängig ist, schließlich den wirklich tief veranlagten, aber 
ohne die nötige Leitung in rein menschlichen Dingen auf 
gewachsenen Knaben in den Tod treiben, ist erschütternd 
unabänderlich. Und wie rührend ist seine jedem jungen 
Menschen schmerzliche und doch wieder aufbäumende Re 
signation vor seinem Tode: „Es hat etwas Beschämendes, 
Mensch gewesen zu sein, ohne das Menschlichste kennen 
gelernt zu haben.“ 
Weniger stark Umrissen scheint mir die Gestalt Melchiors. 
Dieser frivole, glänzend talentierte Junge, der selbst die Ge 
schlechtsregungen nicht so intensiv und tief empfindet wie 
der in seiner Art viel sensiblere Moritz, sondern sich über 
sie, mit dem Bestreben, sie möglichst auszukosten, hinweg 
setzt; ist gleichsam verkürzt gesehen, etwas schief. 
Die Ansicht, daß sich ein Jüngling, und zwar ein be 
gabter, in dieser Weise über die Probleme seines Lebens 
alters hinwegsetzen kann, und sie ohne tiefere innere Kämpfe 
hinter sich wirft, ist zwar sehr idealistisch (Typus des 
blondäugigen Siegfried + schnoddrigem Tauentzien-Schieber) 
aber . . . aber (: . . Nur die Art, wie er Wendla in Besitz 
nimmt und nachher doch nicht für die Folgen einer augen 
blicklichen Laune mit dem Leben büßen will, das ist nur 
zu wahr. — * 
Und, wie wunderbar zart und feinfühlig die ersten Szenen 
— die Gespräche zwischen Melchior und Moritz — im Walde 
sind! Melchior zunächst überlegen, geistreich, dann natür 
licher, schließlich voller Scham, die er hinter altklugen 
Redensarten zu verstecken sucht, Moritz von Anfang an 
schüchtern, schamhaft. Hier zieht ein Dichter ganz zart 
und fein die letzten Hüllen von scheuen und verängsteten 
Knabenseelen 
Ich bin nicht alt genug, um Wendla verstehen zu können. 
Das können nur junge Mädchen (aber keine teutschen) und 
an ihnen ist es, ihre Gedanken und Empfindungen darüber 
^auszusprechen. 
Frühlingserwachen hat die schönsten und tiefsten Ge 
stalten aller Wedekindschen Dramen. 
Ernst Reich.
	        
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