Volltext: Erstes Veilchenheft (21)

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Der erste Tag 
ICH UND MEINE ZIELE. 
Warum soll ich nicht auch einmal über mich selbst schreiben, selbst 
wenn mich an dieser Stelle niemand darum bittet. Ich bin nicht eitel, 
weil ich die Belanglosigkeit aller Dinge kenne. Ich schreibe hier nur, 
um allen denen eine gemeinsame Antwort zu geben, die immer 
wieder wieso und warum fragen, z. B. weshalb die „Veilchen" zum 
Schluß ganz anders geworden sind, als am Anfang geplant war, denn 
ich selbst bin solch ein Veilchen, welches mit Absicht im Ver 
borgenen blüht, weil ich überzeugt bin, daß ich dort schöner dufte. 
Ursprünglich wollte ich als „Veilchen" nur eine Sammlung neuer 
Dichtungen veröffentlichen, um den Vielen, die immer fragen, wo man 
meine neuesten Sachen kaufen könne, dazu Gelegenheit zu geben. 
Sie werden jetzt wohl nicht mehr fragen, wenn sie wissen, daß sie 
kaufen können, denn man fragt gern, aber man kauft ungern. 
Aber warum soll ich immer nur an andere denken und anderen 
Gefälligkeiten erweisen; man hat so selten als Künstler Gelegenheit 
etwas zu veröffentlichen. Die Welt ist voll von Parteien, und 
jede Partei hält den Künstler für unbegabt, der etwas Anderes für 
wichtig hält als ihr Programm. Jede Partei spricht der Kunst 
die innere Berechtigung ab, wenn sie nicht für ihr Programm 
mitkämpft oder ihr sonst in irgend einer Weise zur Durchführung 
ihres Programms verhilft. „Wirken" ist heute die Devise, die Kunst 
aber braucht beschauliches „Sichversenken", die Kunst will schaffen, 
und nicht anders wirken als durch die Tatsache ihres Bestehens. „Ja 
warum wollen Sie nicht gleichzeitig wirken?" fragt mich die Partei, 
und denkt dabei an eine großzügige Propaganda, die ich für ihre 
Ideen entwickeln soll, um ihr dadurch meine Berechtigung als Künstler 
nachzuweisen; aber ich weiß, daß man nur ein Ziel bei einer Arbeit 
haben kann, und die Kunst ist mir viel zu wertvoll, um als 
Werkzeug mißbraucht zu werden; lieber stehe ich persönlich 
dem politischen Zeitgeschehen fern. 
Ich hoffe, die Zeit wird auch ohne mich politisch weiter bestehen 
können, wohingegen ich bestimmt weiß, daß die Kunst für ihre 
Entwicklung mich noch braucht. Kunst ist ein sonderbares 
Ding, sie braucht den Künstler ganz. 
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