Volltext: Erstes Veilchenheft (21)

109 
Oberall waren Hündchen und Rehe angebracht, erstere aus Porzellan, 
hingegen letztere aus schwerer Bronce mit gußeisernem Kern. Feudal, 
was? Donnerwetter gefiel das den Steinböcken gutl Sie kletterten 
im ganzen Zimmer umher und beschnupperten alles vorsichtig. Und 
wenn sich eins müde geklettert hatte, dann konnte es sich auf Glei- 
witzen seinem Bette behaglich ausstrecken. 
Frau Schulze kehrte nun wieder zu ihrem Löwen zurück. Donner 
wetter, lag der majestätisch auf seinem Bettvorleger. Einen 
Augenblick getraute sie sich nicht einmal hineinzugehen, aber schließ 
lich ergriff sie sich ein Herz und streichelte dem Löwen zärtlich über 
die Wangen. Punkt sechs Uhr begann der Löwe fürchterlich zu 
brüllen. Frau Schulze war sehr erschrocken und gab ihm sofort alle 
verfügbaren Kartoffel schalen, aber der war stolz, und rührte sie nicht 
an. Auch den kleinen Rest saure Milch ließ der stehen. Der mußte 
was Besseres gewohnt sein. Da gab Frau Schulze ihrem Hausfrauen 
herzen einen gewaltigen Ruck und klatschte dem Löwen einen wunder 
schönen kalten Apfelpfannkuchen direkt ins Maul. Aber der spuckte 
ihn wieder aus und brüllte bloß. Donnerwetter, Schulzens hatten nie 
Kinder gehabt. Und Schulze wollte natürlich wieder recht haben, 
daß der Löwe Apfelpfannkuchen ein für allemal nicht fräße. Aber 
was versteht schließlich so ein Mann von der Küche? Den Dreck 
versteht erl Und Frau Schulze sagte: „Hier bin ich nun streng, 
wir wollen den Löwen erziehen, der kriegt nichts anderes. Lächer 
lich einfach, so schön wie hier auf dem Bettvorleger hat der’s in seinem 
ganzen Leben nicht gehabt und kriegt’s nie wieder. Undankbares 
Geschöpf!" Es gab sogar eine eheliche Szene, in deren Verlauf 
Schulze vom Abendessen aufsprang und sein Beefsteak mit Zwiebel 
sauce, so warm, wie es war, dem Löwen vorsetzte. Der aber fraß 
es nicht, sondern weinte bloß von den Zwiebeln, und Frau Schulze 
sagte: „Du, ich glaube, der ist krank, wir wollen ihm mal etwas Natron 
einflößen." Und nun hielt Schulze dem das Maul auf, und Frau 
Schulze schüttete ihm für fünf Pfennig doppelkohlensaures 
Natron und für fünf Pfennig Bittersalz in den Rachen. Da hatten 
Sie das Tier mal husten und niesen hören sollen, aber er fraß die 
Kartoffelschalen doch noch nicht. Son Schlawiener! 
Als Schutzes zu Bett gingen, bekam der Löwe eine Häkeldecke über. 
Schulze schnarchte bald, und endlich schlief auch sie fest ein. Aber 
aus irgendeinem Grunde wachte sie mitten in der Nacht auf, und da 
fehlte ihr rechter Arm. Frau Schulze suchte im ganzen Bett 
danach, aber da lagen bloß ihre Strümpfe. Da weckte sie denn doch 
ihren Mann. Der gleich hoch, und den fehlenden Arm mit gesucht, 
aber der war nicht zu finden. Der Löwe schlief ganz fest. Da sagte 
Schulze: „Du, ich glaube, der Löwe muß draufliegen," und nun stießen 
sie den Löwen, daß der aufwacht, aber der zwinkert nur mit den 
Augen und rührt sich nicht. Jetzt tritt Schulze dem Löwen direkt ins 
Gesicht, und der springt mit Gebrüll hoch und beißt - in Schulzes 
neuen Pyjama ein Loch. Dann steht er knurrend da wie ein Hund. 
Schulze, nicht faul, reißt seinen Revolver aus der Nachttischschublade 
und schießt den Löwen einfach übern Haufen. 
Der war nun tot, und der fehlende Arm war auf rätselhafte 
Weise verschwunden. Frau Schulze sah am anderen Morgen noch 
die ganze Kartoffelschale mit durch, da war er auch nicht bei. Jammer, 
daß sie nur einen rechten Arm hatte. Vermutlich mußte ihn 
der verstorbene Löwe doch wohl gefressen haben. 
Der Hippopotamus aber lag ganz ruhig in der Küche, als Frau Schönwetter 
zu Bett ging, und leckte das Wasser. Auf dem Vorplatz vor der Tür 
lag ein Scheuertuch, aber das genügte nicht um das hinausströmende 
Wasser aufzufangen. Jetzt kam von unten der Hauswirt herauf und 
beklagte sich, daß das Wasser bis unten in den Keller hinein 
flösse. Frau Schönwetter schlug ihm einfach die Tür vor der Nase 
zu und rief: „Dann klagen Sie mich doch raus, ich kann doch nicht 
Ihretwegen das Tierchen dursten lassen. Die nächsten sechs Monate 
bleibt das Tier in der Küche, dafür lassen sie man die Gerichte 
sorgen." Kaum lag sie wieder im Bett, da kamen die Mieter der 
unteren Etagen herauf, weil's ihnen ins Bett regnete, und verlangten, 
daß sie wenigstens die Leitung kleiner stellte. Frau Schönwetter 
lachte hinten im Halse, denn das war doch bloß der gelbe Neid. 
Die ärgerten sich blaß, daß sie kein Nilpferd gewonnen hatten. *So’n 
bißchen Wassert Da sollen die Leute ’n Regenschirm aufspannen, 
wenn sie im Bette nicht naßregnen wollen. — „Das kann doch 
Schwamm geben," rief der kleine Dicke. -> Aber Frau Schönwetter 
mußte denn doch fürchterlich lachen, im Zoologischen Garten gibt 
das Nilpferd doch auch keinen Schwamm. So'n liebes Tierchen. 
Das soll mal wieder sowas sein. Bald darauf hörte sie den Schuß
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.