Volltext: Schutzhaft : Erlebnisse vom 7.-20. März 1919 bei den Berliner Ordnungstruppen (2)

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selbe Major, den wir am Samstag Abend im Gemeinen-Mantel 
als Zeugen der Lynchszene sahen, und ein Stab von allerlei 
Offizieren (auch Marine und in Zivil). Umgeben waren wir von 
vielleicht 200 scharf bewaffneten Regierungssoldaten, außerdem 
standen Maschinengewehre und Flammenwerfer (?) vor und 
hinter uns, so daß wir uns gänzlich der Gewalt der Regierungs 
truppen preisgegeben wußten. Lie folgenden Stunden be 
deuteten für uns eine Provozierung schlimmster Art, welche 
wir jedoch nicht erwiderten, weil wir wußten, daß wir un 
barmherzig zusammengeschossen worden wären. 
Am Morgen war die inzwischen als Lügennachricht ent 
hüllte Meldung von der Ermordung der 60 Polizeibeamten in 
Lichtenberg eingetroffen, und als nun noch ein Trupp Ge 
fangener eingeliefert wurde, der gleich mit uns weitergehen 
sollte, hieß es (seitens der Offiziere) ohne weiteres: „das 
sind die Lichtenberger.“ (System?!) Entsprechend war 
der Empfang. Im Hause ertönten wieder die bekannten Rufe 
des Lynchkommandos, wie wir es nannten, „haut ihn, schlagt 
ihn tot, an die Wand!“ etc., und ähnliche wie die bereits ge 
schilderten Szenen der Vortage dürften sich daraufhin ab 
gespielt haben. Sehen konnten wir natürlich nichts, weil wir 
auf dem Hofe standen. Später kam eine Anzahl bürgerlich ge 
kleideter Zivilisten in den Hof und wurde zu der Gruppe von 
Offizieren geführt, um dort Namen und dergleichen notieren 
zu lassen. Stöße mit Fäusten und Gewehrkolben wurden von 
der herumlungernden Soldateska reichlich verteilt. Die Of 
fiziere, besonders einer in Zivil mit brauner Joppe, schwarzen 
Gamaschen und einem Browning, hetzten die Soldaten un 
verhohlen mit Wort und Geste gegen uns, vor allem aber 
gegen die „Lichtenberger“ auf. Kaum zu meistern war unsere 
stumme Wut, als wir mit ansehen mußten, daß ein Regierungs 
soldat zwischen die Gruppe der Offiziere trat, unter der sich 
auch der Kommandant, der bereits erwähnte Major, befand, 
und einem bürgerlich gekleideten Herrn, der gerade Personalien 
angeben sollte, mitten ins Gesicht spie, ohne von 
einem Offizier irgendwie daran gehindert, oder 
dafür gerügt zu werden. Als der Zivilist darauf nicht 
sichtbar reagierte, erhielt er eine furchtbare Ohrfeige, wieder 
mitten ins Gesicht. Auch darauf reagierte der Zivilist nicht, 
worauf er einen sehr heftigen Faustschlag auf die Oberlippe 
erhielt, so daß diese sofort sichtlich schwoll. All’ das sahen 
die Offiziere widerspruchslos, zum Teil mit sichtbarem Gut 
heißen mit an. Angesichts der Pogromstimmung wagten weder 
wir noch der Mißhandelte irgendwelchen Einspruch. Als der
	        
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