Zum ersten Kongreß der
Kommunistischen Internationale
Teure Genossen! Die Unterzeichneten Par
teien und Organisationen halten es für dringend
notwendig, den ersten Kongreß der neuen revo
lutionären Internationale zusammenzuberufen.
Während der Dauer des Krieges und der Revo
lution sind nicht nur der volle Bankerott der
alten sozialisiischen und sozialdemokratischen
Parteien und zugleich der zweiten Internationale,
nicht nur die Unfähigkeit der Zwischenelemente
der alten Sozialdemokratie Cdes sogenannten
„Zentrums“) zur aktiven revolutionären Aktion
klar geworden, sondern gegenwärtig kommen
bereits mit voller Deutlichkeit die Umrisse der
wirklichen revolutionären Internationale zum Vor
schein. Die riesenhaft schnelle Vorwärtsbewegung
der Weltrevolution, die stets neue und neue Pro
bleme aufsfeilt, die Gefahr der Erstickung dieser
Revolution durch das Bündnis der kapitalistischen
Staaten, welche sich gegen die Revolution unter
der heuchlerischen Fahne des „Völkerbundes“
zusammentun, die Versuche der sozialverräter
ischen Parteien sich miteinander zu einigen und
nachdem sie einander „Amnestie“ erteilt haben,
ihren Regierungen und ihrer Bourgeoisie nochmals
zum Betrug der Arbeiterklasse zu verhelfen,
endlich die außerordentlich reiche bereits er
worbene revolutionäre Erfahrung und die Inter
nationalisierung der ganzen Revolutionsbewegung
— alle diese Umstände zwingen uns, die Initia
tive zu ergreifen, um die Frage der Zusam»men-
berufung eines internationalen Kongresses der
revolutionären proletarischen Parteien auf die
Tagesordnung zur Diskussion zu stellen.
Die Ziele und die Taktik.
Als Grundlage der neuen Internationale muß
unsres Erachtens die Anerkennung der folgenden
Sätze dienen, welche hier als Plattform aufgesfellt
werden und welche auf der Basis der Programme
des Spartakusbundes in Deutschland und der
kommunistischen Partei (Bolschewiks) in Rußland
ausgearbeitet worden sind.
Die jetzige Periode ist diejenige der Auf
lösung und des Zusammenbruchs des gesamten
kapitalistischen Weltsystems, welches den Zu
sammenbruch der europäischen Kultur überhaupt
bedeuten würde, falls der Kapitalismus mit seinen
unlösbaren Gegensätzen nicht vernichtet wird.
Die Aufgabe des Proletariats besteht jetzt
darin, die Staatsmacht sofort zu ergreifen. Das
Ergreifen der Staatsmacht bedeutet die Vernich
tung des Staatsapparates der Bourgeoisie und
die Organisierung eines neuen proletarischen
Machtapparates.
Dieser neue Machtapparat muß die Diktatur
der Arbeiterklassen und an einigen Orten auch
der Kleinbauern und der Landarbeiter verkörpern,
d. h. das Werkzeug der systematischen Nieder
werfung der Ausbeuterklassen und das Werkzeug
ihrer Expropriation sein. Nicht die falsche bür
gerliche Demokratie — diese heuchlerische Form
der Herrschaft der Finanzoligarchie — mit deren
Reihen formeller Gleichheit, sondern die prole
tarische Demokratie mit der Möglichkeit der Re
alisation der Freiheit für die arbeitenden Massen;
nicht Parlamentarismus, sondern Selbstverwaltung
dieser Massen durch ihre gewählten Organe,
nicht kapitalistische Bureaukratie, sondern Ver
waltungsorgane, die von den Massen selbst ge
schaffen worden sind, unter der wirklichen Be
teiligung der Massen an der Verwaltung des
Landes und an der Tätigkeit des sozialistischen
Aufbaues — dies soll der Typus des prole
tarischen Staates sein. Die Macht der Arbeiter
räte oder gleichartiger Organisationen ist seine
konkrete Form.
Die Diktatur des Proletariats muß der Hobel
der sofortigen Expropriation des Kapitals und
der Aufhebung des Privateigentums auf die Pro
duktionsmittel sein, mit deren Verwandlung in
Volkseigentum.
Die Sozialisierung (wobei unter Sozialisierung
die Aufhebung des Privateigentums und die Über
gabe ins Eigentum des proletarischen Staates
und in die sozialistische Verwaltung der Arbeiter
klasse verstanden wird) der Großindustrie und
deren organisierenden Zentren, der Banken; die
Konfiskation der Ländereien der Großgrundbesitzer
und die Sozialisierung der kapitalistischen land
wirtschaftlichen Produkte, Monopolisierung des
Großhandels; die Sozialisierung der großen
Häuser in den Städten und auf den Gütern; die
Einführung der Arbeiterverwaltung und die Zen
tralisation der wirtschaftlichen Funktionen in den
Händen der Organe der proletarischen Diktatur
— dies sind die Hauptprobleme des Tages.
Zwecks Sicherung der sozialistischen Revo
lution, ihrer Verteidigung gegen innere und
äußere Feinde, Hilfeleistung den anderen Na-
iionalfraklionen des kämpfenden Proletariats usw.
ist die volle Entwaffnung der Bourgeoisie und
ihrer Agenten und die allgemeine Bewaffnung
des Proletariats notwendig.
Die Weltsituation verlangt jetzt die engsle
Fühlung zwischen den verschiedenen Teilen des
revolutionären Proletariats und eine vollständige
Einigung zwischen den Ländern, wo die sozia
listische Revolution bereits gesiegt hat.
Die Grundmethoden des Kampfes sind die
Massenaktionen des Proletariats bis zum offenen
Kampf mit bewaffneter Hand gegen die Staats
macht des Kapitals.
Verhältnis zu den
„Sozialistischen“ Parteien
Die alte Internationale ist in drei Haupt
gruppen auseinandergefallen: die offenen Sozial
patrioten, welche während des ganzen imperia
listischen Krieges der Jahre 1914— 1918 ihre
eigene Bourgeoisie unterstützten und die Arbeiter
klasse in Henker der internationalen Revolution
verwandelten; das „Zentrum“ dessen theoretischer
Führer gegenwärtig Kautsky ist und das eine
Organisation solcher Elemente darstetlt, welche
stets schwankend sind, keiner bestimmten Richt
schnur fähig und bisweilen verräterisch sind,
endlich der linke revolutionäre Flügel.
Im Verhältnis zu den Sozialpatriofen,
welche überall in den kritischen Momenten mit
bewaffneter Hand gegen die proletarische Revo
lution auftreten, ist nur schonungsloser Kampf
möglich. Im Verhältnis zum „Zentrum“ — die
Taktik des Absplitterns der revolutionären Elemente
darunter, erbarmungslose Kritik und Entlarvung
der Führer. Die organisatorische Scheidung von
den Zentrumsleuten ist auf einer gewissen Stufe
der Entwicklung unbedingt notwendig.
Auf der andern Seite ist ein Block mit den
jenigen Elementen der revolutionären Arbeiter
bewegung notwendig, welche, obgleich sie früher
der sozialisiischen Partei nicht angehörten, jetzt
im großen und ganzen auf dem Standpunkt der
proletarischen Diktatur in der Form der Sowjet
macht stehen. Solche sind an erster Stelle die
syndikalistischen Elemente in der Arbeiter
bewegung.
Endlich ist das Heranziehen aller jener pro
letarischen Gruppen und Organisationen notwen
dig, welche, obgleich sie nicht der linken revo
lutionären Strömung sich angeschlossen haben,
nichtsdestoweniger in ihrer Entwicklung eine
Tendenz in dieser Richtung an den Tag legen.
Wir schlagen allen Bruderparteien und Bruder
organisationen vor, die Besprechung der Frage
der Zusammenberufung des internationalen Kom
munistischen Kongresses auf die Tagesordnung
zu stellen.
Mit sozialistischem Gruß
Das Zentralkomitee der F Russischen Kommuni
stischen Partei. Das Auslandsbureau der Kommu
nistischen Arbeiter-Partei Polens. Das Auslands
bureau der Kommunistischen Arbeiter-Partei Un
garns. Das Auslandsbureau der Kommunistischen
Arbeiter-Partei Deutsch-Österreichs. Das Zen
tralkomitee der Kommunistischen Partei Lettlands.
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei
Finnlands. Das Exekutivkomitee der balkanischen
revolutionären sozialdemokratischen Föderation.
S. L. P. (Amerika)