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an den Denker-Dichter geschrieben. Dar
unter ein Leutnant der Reserve, ein
Schüler, der Direktor eines Reformreal
gymnasiums, ein Bühnenarbeiter, eine
Dame, die heute Bolschewistin ist, ein
Obergerichtsrat und sogar ein lieber Freund
„wenige Tage vor seinem Tode, der ihn
plötzlich zu sich nahm“. Aus diesem
schlichten Relativsatz bekommt man schon
die absolute Gewissheit, dass hier ein Dich
ter zu seinem umnachteten Volke redet.
Dieser Freund zum Beispiel, den Herr Tod
plötzlich zu sich nahm, (Durchwärmung)
war „während des Krieges begeisterter Re
publikaner und Fürstenhasser“. Dem Freund
hat die Revolution das Geschäft verdorben.
Er schrieb deshalb an den Freund von
Molo: „Tilgen Sie in einer Neuauflage den
Abschnitt, in dem Sie sich über den guten
Kaiser Franz lustig machen. Ihr Buch hat
mich deswegen sehr verstimmt, es wird
ebenso auf alle wirken, die wie ich monar
chistisch gesinnt sind, die durch die Re
volution gescheitert sind wie ich.“ Das
ist so ein kleiner Beweis von der Umnach
tung des deutschen Volkes. Der Dichter
macht sich über den guten Kaiser Franz
lustig und dadurch den Freund böse.
Welches gesunde Gehirn hat dieser Molo ge
genüber dem geistig umnachteten deutschen
Volke, dass er sich aus seiner heilen Haut über
den guten Kaiser Franz lustig machen kann.
Wenn es mir nun glückte, mich über den
guten von Molo lustig zu machen, so wür
den ihn vielleicht Redaktion und Leser des
Berliner Tageblatts für geistig umnachtet
halten. Das wäre eine demokratische Ge
rechtigkeit. Aber es wird noch lustiger,
denn Herr von Molo beweist die Symptone
der geistigen Unmachtung unseres Volkes
dadurch, dass ihm „unentwegt sonderbare
Zuschriften ins Haus hagelten“. Ein Volk,
das nicht auf der Höhe der Denkkraft
Moloscher Romane steht, ist tief gesunken.
Selbst „ein Marinearbeiter“ hat dem Herrn
von Molo geschrieben, „dass er sich wun
dere zu sehen, dass Friedrich eigentlich ein
anständiger Mensch gewesen sei und kein
Bluthund, wie er immer gehört habe.“ Man
liest also, dass der Monarchist und der
Marinearbeiter sich in der Mitte, in der
Politik der Mitte, in der Politik der Mittel-
mässigkeit treffen. Ist dieser Mann nicht
bescheiden, der nicht schweigen kann und
der nun das Lehrbuch der Deutschen
schreiben will. Ist das nicht ein Politiker,
wie man ihn zwar nicht in der Masse,
aber massenhaft hat? Sollte man ihm nicht
diktatorisch die Kulturpropaganda für das
deutsche Volk übertragen? Ihm, der das
Licht im Auge hat und dazu noch die Ge
wissheit: wir sind. Leider hat es keinen
Zweck mehr, Herrn von Molo mit dieser
Aufgabe zu molestieren, da unser Volk ja
bereits bestens geistig umnachtet ist. Was
mögen das für Idioten sein, die diese gan
zen Auflagen von allen diesen Romanen
kaufen. Es bleibt nur die Frage: waren
diese Idioten geistig umnachtet, als sie die
Bücher lasen oder wurden sie es erst durch
die Missverständnisse, die dank der Lektüre
dieser Romane in ihnen geweckt wurden.
Die geistige Wachheit des Herrn von Molo
persönlich ist im Schlaf festzustellen: er
funktioniert über den Parteien, was man
auf deutsch liberal nennt, (Bezugsorgan
Berliner Tageblatt) macht angeblich grosse
Menschen klein und angeblich kleine Men
schen gross und beruft sich ausser auf das
Berliner Tageblatt auf einen Schüler. „Ein
Schüler beschimpfte Richard Dehmel, der
ein Werk liebe, das monarchistisch sei,
Dehmel sei doch Sozialist.“ Mit welch li
terarischer Feinheit wird dem geistig um
nachteten deutschen Volke beigebracht, dass
Richard Dehmel sozusagen für die Romane
des Herrn von Molo eintrete. So ganz ne
benbei durch den Brief eines Schülers.
Der Schüler, selbstverständlich geistig unreif,
wird des Sozialismus bezichtigt, was immer
hin schon eine Sache ist. Der Schüler und alle
Schüler überhaupt haben nicht die tiefe
Fnnsicht für die Politik der Mitte. Das
Lehrbuch muss geschrieben werden. Die
Schüler, die Sozialisten und die Marinear
beiter werden durch das durchwärmte
Auge des Herrn von Molo erkennen, dass
zum Beispiel Noske ein anständiger Mensch
gewesen sei, kein Bluthund, sondern ein
reiner Demokrat, dass Herr Ludendorff
immer und überall gesucht, geirrt und ver
gänglich gefunden habe. Mit der Gewiss
heit: wir sind. Dieses und ähnliches wird
im Lehrbuch der Deutschen stehen. Sie
werden aus ihrer geistigen Umnachtung
auferstehen und alle Mitglieder der deutsch-
demokratischen Partei, Abonnenten des
Berliner Tageblatts (Inserate zu Vorzugs-