den Wasserfällen steht. Wenn ich lache, geht die Erde auf und die Häuser, 
die eben noch dastanden, als wüßten sie nichts, sammeln sich auf dem Kaiser- 
Friedrich-Platz. Heil! Heil! Der Himmel zerbarst und die Flöte zerbrach, 
noch ist nicht aller Nächte Morgen, noch ist nicht das Aequinoctium des Reise 
bureaus.“ Der Herr neben mir sagte: Sie dürfen nicht glauben, daß hinter 
dem Dadaismus der geringste Sinn steht. Diese Menschen sind sehr schlaue 
Betrüger, die sehr wohl wissen, daß der Unsinn die Leute anlockt, und die ihnen 
auf diese gerissene Weise das Geld aus der Tasche ziehen. Sehen Sie doch 
nur, der Kerl lacht ja selbst, daß ihm die Tränen aus den Augen kommen.“ 
Jetzt entrüstete sich eine junge Dame. „Er lacht nicht,“ fistelte ihr Stimmlein, 
„das ist ehrliche Begeisterung. Ich habe die Dadaisten in Dresden gesehen, als 
man Stühle auf ihnen zerhieb und Pianos nach ihrem Kopf abschoß. Dada sein, 
heißt tapfer sein.“ Der Priester in seinen violetten Unterhosen begann, sich 
auf dem Boden herumzuwälzen. Ein Trottoir-voalant kam mit der Primadonna 
vom Métropolitain Opeça-house, die auf ihren eigenen Beinen den Ragtime „Le 
delice“ zu pfeifen wußte, man konnte es kaum ohne Erröten und Rührung 
mit ansehen. Die Seekühe kamen ganz nahe heran, als wollten sie aus der 
Hand fressen, und die ungeheueren grünen Lazerten, die an den Decken zwischen 
den Phiolen und Retorten hingen, begannen sich wie Ventilatoren zu drehen. Es 
war jene Treibhausluft und Ventriloque-Stimmung, von der Capasses in seinem 
berühmten Roman „Chevilles“ so manches bedeutende Wort sagt. Ohne, daß ich 
es bemerkte, war Geheimrat Spätzle in eine ungeheuere Wut geraten. „Was?“, 
schrie er, „was? dies wagt man mir zu bieten, der ich von anständigen Eltern 
geboren bin, eine gute Kinderstube gehabt habe und neun Jahre lang die Klassen 
eines humanistischen Gymnasiums drückte? Ich bin immer für Fortschritt ein 
getreten — aber was zuviel ist, ist zuviel.“ Er sah sich um. „Und vom nationalen 
Standpunkt aus (er lachte höhnisch) diese Dadaisten sind alle von der Entente 
gemietet, um hier Revolution zu machen. Sehen Sie den an (der Dadasoph war 
aufgetaucht) — ist der ein Mensch oder ein Tier?“ Eine eifrige Diskussion ent 
stand, ob der Dadasoph, der gerade aus einer Versenkung hochkam, ein Mensch 
oder ein Tier sei. Man entschied sich für das Letztere. Kaum war der Geheimrat 
verstummt, da begann der große Einzug des dadaistischen Weltgerichts. Es war 
als sollte das Gebäude über unserem Kopf zusammenfallen. Unter einem mäch 
tigen Baldachin brachten sie den sogenannten Präsidenten des Weltalls Johannes 
Baader, einen früheren Schneidergesellen, versehen mit allen Legitimationen des 
Irrsinns und der dionysischen Beschränktheit. Aus seinen Ohren fiel das heiße 
Wasser pfundweise, auf das Gesäß hatten sie ihm Boxhandschuhe genäht, in 
dem er die Motti zu seinem unsterblichen Werk „Das Liebesieben der Dadaisten“ 
verwahrt haben soll. Dicht neben dem Präsidenten hielten sich der Dadasoph 
Hausmann und jener Huelsenbeck, dem man die Gründerschaft dieses ganzen 
Unfugs zuschreibt. Der Dadasoph ritt auf einer Eule, dem Tier der Weisheit, 
und hatte die Symbole Zarathustras, die Schlange und den Adler, in seiner Hand. 
„Die Welt als Erkenntnisproblem,“ meinte er, „ist Tabu-Dada. Vom All-Einen 
kommen wir zu den Schweinen, hopsassa.“ Bei diesen Worten regte sich ein 
Herr in unserer Gesellschaft auf, der mit heißem Bemühen Hegel und Schopen 
hauer gelesen hatte. Der Propagandamarschall Grosz kam mit der Kesselpauke, 
dem Zeichen der dadaistischen Weltherrschaft. Dicht hinter ihm folgte der be 
kannte dadaistische Verkehrsminister und Monteur- 
dada Heartfield. Es war eine illustre Gesellschaft. 
Ein unendlicher Zug schloß sich an. Auf Kühen 
und Pferden oder zu Fuß mit Kindertrompeten und 
Knarren folgten die Dadaisten aller Herren Länder, 
alle gekennzeichnet durch den gleichen dadaisti 
schen Gesichtsausdruck. Da war der Troubadour 
und Lebemann der dadaistischen Bewegung in 
Paris, Herr Tristan Tzara, in der Uniform eines 
Untergrundbahnangestellten. Man sah ferner Kurt 
Schwitters, den weltberühmten Autor der „Anna 
Blume“. De>‘ Lärm wurde so groß, daß unsere 
Trommelfelle jammerten wie kleine Kinder. Die 
große Knochenerweichung fiel von den Dächern. 
Kein Mensch wußte, wozu das gut war. Da schrie 
der Schneidergeselle Baader: „Dada ist der Sieg der 
kosmischen Vernunft über den Demiurgos. Dada 
ist das Cabaret der Welt so gut, wie die Welt das 
Cabaret Dada ist. Dada ist Gott, Geist, Materie und 
Der Meister=Dada 
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