Wir wollen unsern Kaiser wieder . . . .
Oben woll’n se grad beraten
Schnuppern am sozialen Braten,
Unten auf dem Königsplatze
20 Mann im Heldensatze
Hat sich’n Leutnant aufgepflanzt,
Mitten in der Republike
Mit Musike
Fesch und schnieke
Geht’s: Heil dir im Siegerkranz!
Vorne stehn se Kopp an Kopp,
Hinten drängelt sich der Mob,
Und die Claque brüllt sich heiser:
Gebt uns wieder unsern Kaiser!
Oben winkt man schon vom Dache.
,,Willem zieht wohl ein?“ „Na Sache!“
Eener schimpft noch: „So’n Gefleeze!“
Und gleich hat er eins am Deeze!
Unten staut sich Wanst an Wanst!
Mitten in der Republike
Mit Musike
Fesch und schnieke
Geht’s: Heil dir im Siegerkranz !
Vorne stehn se Kopp an Kopp,
Hinten drängelt sich der Mob,
Und die Claque brüllt sich heiser:
Gebt uns wieder unsern Kaiser!
Vater, Mußspritze geschultert!
Fein den Bibi aufgepoltert!
Und ab geht er mit Gezeter
An der tete der deutschen Väter,
Frisch geölt im Ordensglanz!
Mitten in der Republike
Mit Musike
Fesch und schnieke
Geht’s: Heil dir im Siegerkranz!
Vorne stehn se Kopp an Kopp,
Hinten drängelt sich der Mob,
Und die Claque brüllt sich heiser:
Gebt und wieder unsern Kaiser!
Vorn marschier’n se mit Extase,
Fest und treu die ganze Blase,
Hinter ihnen ganz perfide
Dreht ’n alter Invalide:
Auf zum Monarchistentanz.
Mitten in der Republike
Mit Musike
Fesch und schnieke
Geht’s: Heil dir im Siegerkranz!
Vorne türmen se im Galopp,
Hinten drängelt nach der Mob,
Und die Clapue brüllt sich heiser:
Gebt uns wieder unsern Kaiser!
Walter Mehring.
Auf der Wallfahrt zum Kaisertum.
I.
Kohlenmangel, Heusuppe und eisernes Kreuz am schwarz
weiß-rot gebalkten Himmel.
Schlecht gelüftete Bürgernächte. Wedekind’sche Dämonie
in dem verschwitzten Laken, worin mühselig grenadierreiche
Ehen ertragen werden.
Noch ist der Schlaf von nachtmahrigem Bezirksfeldwebel
verbleit. Blutgeschwollene Reichsvögel mit Federhalter und
Stammrolle torkeln über Dächer der Arbeiterviertel.
Auch in dieser Nacht war Krause wieder eingezogen.
Asthmatisch öffnet er das Fenster, wäss’riges Rot tropft die
42 iger Schornsteine herunter. Krause fröstelt ängstlich Schützen
graben.
Nachbar Meier zerknüllt die blumigen Vorhänge. Unter der
blau-schwarzen Wampe blüht ihm ein Schleifchen von Frau
Meiers Hemd: „Rot, rot, rot“
Der nicht mehr einziehbare Krause wirft erschüttert der
Gemahlin scharlochroten Unterrock über die Brust.
„Freiheit, die ich meine.“
II.
In einem Tag war das besoffene Bändchen wieder nüchtern
und die grundlegende Aenderung des deutschen Staates voll
zogen. Eine Bürgerrevolution, weiter nichts. Urlaub der Defrau
danten des Erfolges bis zum nächsten Krieg. Inzwischen
geschält fö dernde Kämpfe zwischen den Arbeitern. Lächelndes
Aufatmen und stilles Sichbewaffnen; entschlossen, mit allen
Mitteln den Konkurs zu verdunkeln.
Blöd 1 Keine noch so kitschige Stufe sogenannter Ent
wickelung bleibt uns erspart.
Wir Deutschen sind verurteilt, Gelegenheiten zu politischer
Kühnheit ängstlich stumm zu verpassen. Welche gottgewollten
Systeme werden wohl noch an unserem Leichnam demonstriert?
III.
Der Eichbaum funktioniert wieder unter dem preußisch
schmutzblauen Himmel. Generalachselstücke blinken als dickste
Sterne, und der hohenzollersche Aasgeier kriecht an.
Erstes Signal zu königlicher Massage: Die Unfälle Lieb
knechts und der Rosa Luxemburg.
Hier wurde wieder der Beweis erbracht, daß der beste Ge
danke einem preußischen Gewehrkolben ohne Schwierigkeiten erliegt.
In der Verhandlung gegen die Begleiter der Verunglückten
wurde zu Recht festgestellt, daß der Feldwebel noch immer der
schönste Mann im Staate ist und die Militärs alle Macht besitzen.
Für deutsche Verhältnisse war dieses Urteil von seltener
Offenheit. Man stellte eine Tatsache fest: daß Militärs sich noch
alles leisten können.
In der Französischen Straße gingen vor ungefähr einem
Jahr 29 Matrosen vor die Hunde. Ueberflüssigerweise entschloß
man sich, die Anklage auf Totschlag zu erheben. Wir rechneten
jedoch mit der Einsicht des Militärgerichts, daß uns unerwünschtes
Aufsehen nach Möglichkeit erspart blieb.
Stellen wir beruhigt fest, diese 29 Matrosen begingen im
Kokainrausch Selbstmord.
Mögen sie so ruhig schlafen, wie sämtiiche Deutsche ge
schlafen haben.
IV.
Im Osten verkriechen sich eingeschüchterte Einwohner
wehren hinter Triumphbögen, die stolzen Baltenkämpfern ent
gegenleuchten. Unterernährte Garderobenhaken in Animierkneipen
träumen still von Gefreitenknöpfen.
Masochistisch stöhnt der Hosenboden des deutschen Mannes
langentbehrter höchster Wollust entgegen. Wie jungfräuliche
Bräute erwartet man lüstern: den monarchischen Tritt in das zer
knirschte Untertanengesäß. Fortsetzung Seite xx.