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Neues von dada:
Aus Genf wird der „Vossischen Zeitung“ geschrieben: Der erste
Weltkongreß der Dadaisten, der seit Wochen in der Grand Salle
des Eau Vives zu Genf tagt, fand kürzlich ein jähes Ende: er
wurde polizeilich aufgelöst und wird zweifellos mehreren Teil
nehmern ein gerichtliches Nachspiel eintragen. Es kam nämlich
zwischen Tristan Tzara, dem Gründer des Dadaismus, und dem
bekannten dadaistischen Philosophen Sern er (Letzte Lockerung
t 6.— Mk.),dem Vorsitzenden des Kongresses, zu einem heftigen
Wortwechsel, in dessen Verlauf Serner einen Browning zog und
vier blinde Schüsse auf Tzara abgab, der soviel Geistesgegenwart
besaß, sofort vom Stuhl zu sinken. Die Folge war jedoch, daß die
zahlreich besetzte Gallerie, die nicht daran zweifelte, daß scharf
geschossen worden war, eine Panik ergriff, die nur durch das
rasche und umsichtige Eingreifen einiger kluger Köpfe noch recht
zeitig eingedämmt werden konnte. Polizeiorgane, die unmittelbar
darauf erschienen, räumten den Saal und brachten Serner und
Tzara auf das in der Nähe befindliche Kommissariat, von wo sie,
nach kurzem Verhör wieder freigelassen, von den auf der Straße
wartenden Dadaisten im Triumphe auf den Schultern bis zu ihrem
Hotel getragen wurden. Tags darauf erschien zur allgemeinen Hei
terkeit des Publikums in der„Tribune de Gene ve“ ein geharnischter
Artikel (freilich als bezahltes Inserat), in dem der Öffentlichkeit
mitgeteilt wurde, daß der Kongreß in geheimer Sitzung die Re
solution gefaßt habe, die Verwendung von blinden Schüssen in
dadaistischen Diskussionen sei nicht nur erlaubt, sondern sogar,
weil erfrischend, erwünscht, allerdings nur unter der Bedingung,
daß der Schießende sofort eine völlig neue dritte Meinung an
nehme. Man darf immerhin gespannt sein, welcher Meinung die
Genfer Gerichte sein werden.
Wie Anna Blume gegen den Dadaismus protestiert:
An Kurt Schwitters
Ich, meiner, Du, Wir? — Deiner Dich!
ich wehre und verwahre mich
und wende flammend ein:
Ich bin durchaus nicht „ungezählt“
und wenn mich schon ein Vogel quält,
kann’s nur der Deine sein!
Ich trage schlechtweg meinen Hut
auf meinem Haupt, wie’s jeder tut,