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Die Geschichte des Dadaismus ist in der Tat eins der interes
santesten psychologischen Ereignisse der letzten fünfundzwanzig
Jahre.
Täglich liest man sich in seinem Stammkaffee die Kritiken vor,
die aus aller Herren Länder kommen und durch ihre Entrüstung
zeigen, daß man mit Dada irgend jemand ins Herz getroffen hat.
Man ist betroffen, man schweigt und freut sich seines Ruhmes.
Wenn jemand ein Wort mit großer Gebärde unter die Leute
wirft, so machen sie sich daraus eine Religion. Credo, quia
absurdum.
Dada hat sich tatsächlich als einfaches Wort einen großen Teil
der Welt erobert, selbst ohne an eine Person gebunden zu sein.
Es handelt sich hier um ein magisches Ereignis.
Dada wurde im Frühjahr 1916 in Zürich von den Herren Hugo
Ball, Tristan Tzara, Hans Arp, Marcel Janco und Richard HueL
senbeck in einer kleinen Kneipe, dem Cabaret Voltaire, gegründet.
Hier hatte Hugo Ball mit seiner Freundin Emmy Hennings
eine Variete-Miniatur gegründet, an der wir alle als Mitarbeiter
aktivsten Anteil hatten. Wir waren alle durch den Krieg über
die Grenze unserer Vaterländer geworfen worden. Ball und ich
kamen aus Deutschland, Tzara und Janco aus Rumänien, Hans
Arp aus Frankreich.
Die Energien und Ehrgeize der Mitarbeiter des Cabaret Voltaire
in Zürich waren von Anfang an rein künstlerische. Wir wollten
das Cabaret Voltaire zu einem Brennpunkt „jüngster Kunst“
machen.
Das Wort Dada wurde von Hugo Ball und mir zufällig in einem
deutsch-französischen Diktionär entdeckt, als wir einen Namen
für Madame le Roy, die Sängerin unseres Cabarets, suchten.
Dada bedeutet im Französischen Holzpferdchen. Es imponiert
durch seine Kürze und seine Suggestivität. Dada wurde nach
kurzer Zeit das Aushängeschild für alles, was wir im Cabaret
Voltaire an Kunst lancierten.
Die Mitarbeiter des Cabaret Voltaire waren alle Künstler in dem
Sinne, daß sie die letzten Entwicklungen der artistischen Mög
lichkeiten in ihren Fingerspitzen empfanden. Ball und ich hatten
in Deutschland den Expressionismus in aktivster Weise ver
breiten helfen; Ball war ein intimer Freund Kandinskys und
hatte versucht, mit ihm in München ein expressionistisches
Theater zu gründen. Arp war in Paris mit Picasso und Bracques,