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Jan van Mehan / Weltgericht / Die Tragödie der Urlaute
A E I O U. Fünf Akte: Die Feier / Das Gericht / Das
Faß / Der Rein fall / Der Besen. (Die Silbergäule Bd. 83184)
Vorrede des Dichters:
Im Chaos der Völker, Sprachen, Zeiten suchten wir den Menschen,
der über Zeiten, Sprachen, Völkern ist. Das große UR wieder
zugebären aus Schlamm verfaulter Moralen, zerrissenen Geweiden
der Kulturen, Verhirnlichung ästhetischer Synthesen — gelang
noch nicht.
Abstoßung von Artikeln, Losschälung von Begriffen —Worten —
Silben aus verarmter Dürre der Satzgefüge, geschicktes Durchein
ander, erklügelter Wirrwarr — kümmerliche Versuche.
Im Anfang war das a, das e, das i, das o, das u. Wiedererblühe
es in keuscher Anfänglichkeit orphischen Kultgesangs. Beladener
mit Diesseits und Jenseits, Symbol und Aktualität als aller Völker
Zungen in entarteter Vielfalt, verunreinigt von Zisch-, Würg-
und Brummgeräuschen, trägt Urlaut Skala aller Erschütterungen,
Quintessenz von Sein und Nichtsein.
Kunst der Vokale die neue Kunst, die erste Kunst.- Als Drama
gebiert sich Ur-Kunst. Handlung ist Symbol.
Heute ward es ans Licht gebracht! Ihr Heutigen, du Schutz
mann, du Kellner, du Mädchen, du Vettel, du Staatsanwalt, du
Herr im Frack — eint euch mit dem Druidengreis, schließt den
Ring mit Baum und Faß, laßt ertönen ihr Mann, Ding, Herr,
Weib und Bart, laßt hervorbrechen den reinen, den ersten Laut.
Völker befreit!
Alle Erdgeborenen, ihr Holländer, Chinesen, Franzosen, Austral
neger, Berliner, Eskimos; ihr Heizer, Friseure, Milliardäre, Pro
fessoren, Kommis kniet in Anbetung vorm Laut, der die Erde
noch einmal dem Anfang entrollt! DEN HAAG, Mai 1920.
Otto Flakes
neuer Roman „Nein und Ja“, der jetzt in der „Neuen Rundschau“ erscheint,
setzt sich mit den Versen Arps auseinander: „Hören Sie etwas Deutsches,
Gedichte meines Freundes HansArp; wenn sie nicht böswillig sind, werden
Sie empfinden, wie rein, von Seelenproblemen unbeschwert, phantastisches
Spiel hier die Welt geworden ist, ausgeschaltet Kausalität, übersprungen
Zwischenglieder, gleichzeitig alles, Silberkugeln und Fontänen.“ — „Wo
lebt er, wie?“ „In Zürich, so reinlich, daß es im Zeitalter von Büro, Bank,
Börse unwahrscheinlich ist, er hat keinem Kritiker einen Besuch gemacht,
diniert nicht mit Sammlern, Einladung mit Schmeichelei abzahlend, liest
Laotse und Jakab Böhme, hat Hände und Füße wie eine Frau, sein
Organismus ist so unbrutal, daß er Ausschlag bekommt, wenn er Fleisch
ist.“ — Hans Arps „Wolkenpumpe“ ist Vorbild künftiger Gedichtsschreibung.