Full text: Sirius : Monatsschrift für Literatur und Kunst (5)

67 
Frauen, welche den führenden Männern der Revolution helfende 
Gefährtinnen wurden: Madame Duplay, die Robespierre fast 
ohne alles Entgelt in übervoller Fürsorge zwei Jahre bei sich 
wohnen liess; Dantons Frau, welche der grausamste der Männer 
stets für Tage tatlos in sich zurückgeworfen verliess und die er, 
als sie in seiner Abwesenheit gestorben war, als Verwesende 
aus dem Sarg riss, um an ihr die grösste Grausamkeit, die seine 
letzte hatte sein sollen, zu begehen; Lucile Desmoulins, die ih 
rem Gatten in den Tod nachlief; und Madame de Condorget, 
welche Wäscherin wurde, damit die Verfolger ihres Mannes 
irregeführt würden. Ein wenig abseits von diesen Frauen steht 
Charlotte Corday, die, ihr selbst unerwartet, aus der Provinz 
nach Paris fuhr, um Marat, von dessen Tod sie das Ende der 
Metzeleien erhoffte, zu ermorden. Ein grenzenloses Mitleid, wie 
es nur das unberührte Mädchen, dessen Mädchentum überdies 
wohl halber Art war, überkommen konnte, hob sie über alle 
Hemmungen hinaus und liess sie das Dolchmesser dem baden 
den Wehrlosen durch die Schulter ins Herz stossen. In diesem 
Augenblick erlebte sie erzitternd das Vorgefühl der ersten Wol 
lust. Dennoch antwortete sie vor dem Konvent so fest und ein 
fach, wie sie tagsdarauf das Schaffott bestieg. Dass es kein 
ernsthaftes Strafmittel gegen Frauen gibt, wird an diesem Grenz 
fall völlig klar; aber auch, dass Michelet*), der dies schon aus 
sprach, irrte, wenn er die Frauen zwar nicht für strafbar, aber 
für sehr verantwortlich hielt. Sein durch Sentimentalität und falsche 
Heroik geschwächtes Urteil über die Frauen der Revolution be 
ruht auf diesem Irrtum. 
Das Ende der grossen französischen Revolution, das noch 
jämmerlicher war als ihr Anfang, beweist es nicht weniger klar. 
Die Frauen vermochten die Männer, die schliesslich schon für 
die Idee der Republik kämpften, als sie längst satt waren, nicht 
mehr zu begreifen und führten, indem sie offen und heimlich 
hetzten, den Untergang sämtlicher Parteien herbei und damit 
den der Revolution. Jener republikanische Offizier, der früher 
die Soutane getragen und im Beichtstuhl dem Weibe tiefer in 
den Kopf gesehen hatte als so mancher ergraute Ehegatte, 
durfte mit Recht sagen: „Die Frauen sind die Ursache unseres 
Unglücks. Ohne sie hätte die Republik schon feste Gestalt 
und wir sässen ruhig zu Hause." Er übersah allerdings, dass 
auch die Republik, wenn sie so erreicht worden wäre, wie sie 
geplant war, nicht jenen Zustand geschaffen hätte, dessen Verei 
telung zu bedauern wäre; dass einer Revolution, die der Körper 
macht, auch der Erfolg entsprechen muss; und dass nur jene, 
welche die Tat des Geistes wäre, wahrhaft Erfolg hätte. Aber 
*) Jules Michelet: Die Frauen der Revolution, Verlag Albert Langen 
München.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.