Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

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Schuster zu sein, muß man ein Meisterstück ab legen; 
um König zu sein, kann man Stümper bleiben. 
Die widersinnigen Folgen des Erstgeburtsrechts 
auf den Thron müssen sich unter solchen Umständen 
gleichmäßig im Reiche, in den Königreichen, in den 
Großherzogtümern, in den Herzogtümern und Fürsten 
tümern äußern. Ueberall hängt das Wohl und Wehe 
der Reichs- und Staatsbürger von dem Zufall ab, ob 
der Erstgeborene der rechte Mann am rechten Platze 
ist. Wären die deutschen Bundesstaaten und das 
Deutsche Reich Republiken, so würde aus Tausenden 
der rechte Mann für den rechten Platz ausgewählt. 
Da sie Monarchien sind, wird der Mann für den Platz 
gehören. An die Stelle des Wahlzettels tritt der Ge 
burtszettel, an die Stelle des Wahlaktes der Zeugungs 
akt. 
So erfreuen wir uns in Deutschland eines wahren 
„embiarras de richesse“ an geborenen Thronerben, 
von Seiner Kaiserlichen Hoheit dem Kronprinzen des 
Deutschen Reiches und Preußens angefangen bis herab 
zum kleinsten Duodezprinzen Lippe-Detm oldscher oder 
Reuß-Sohleiz-Lobensteinscher Herkunft. Ein Reichtum 
an „Erstgeborenen“, der um so auffallender ist, als 
die Monarchie mit Erstgeburtsrecht — wenn man 
genauer hinsieht — eine durchaus undeutsche Ein 
richtung ist. Die deutschen Kaiser gingen aus der 
Wahl der Kurfürsten hervor. Bei den Germanen des 
Tacitus finden wir nichts von einem Erbrecht der 
Führer und Herzoge. Erst mit der wachsenden Macht 
der territorialen Herren gelang es diesen, das Erb 
recht der Erstgeborenen auf den deutschen Fürsten 
thronen zu stab liieren, den Begriff des Thronerben zu 
schaffen. 
Diese Entwicklung war ganz vernünftig und 
logisch, so lange! eine strenge Unterscheidung zwischen 
Landesvermögen und Fürstenvermögen nicht bestand, 
so lange das Land als Eigentum older wenigstens als 
Obereigentum des Fürsten galt und die Landesein 
nahmen mit den fürstlichen Einkünften vermischt 
waren.
	        
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