Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

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sprochen worden. Das Wort „Junker“ ist international 
geworden; es wird von allen Gebildeten beider Welt 
teile ohne Uebersetzung in die Landessprachen ver 
standen, ähnlich wie die Worte „Kaiser“ older „Kron 
prinz“. Nicht nur im Empfinden der neutralen und 
der zurzeit mit Deutschland im Kriege befindlichen 
Länider, sondern namentlich auch im Empfinden des 
deutschen Volkes selbst, lebt instinktiv die Idee, daß 
die Junker zu den Ursachen dieses Weltkrieges in 
mehr oder weniger direkten Beziehungen stehen und 
für seinen Ausbruch verantwortlich sind. 
Inwieweit ist dieses allgemeine Volksempfinden be 
rechtigt 1 ? In welchem Verhältnis stehen die preußi 
schen Junker zum Staate Preußen und wie erklärt 
sich, ganz allgemein gefragt, die tiefe Abneigung, die 
man den Junkern in der ganzen Welt entgegenbringt 1 ? 
Vielleicht ist es nicht ohne Interesse, in der gegen 
wärtigen Zeit nach zuverlässigen Antworten auf solche 
und ähnliche Fragen zu suchen. 
Jeder Staat hat eine Periode durchlebt, in der ein 
ausgesprochener Gegensatz zwischen dem Königtum 
und jener Klasse von Herrenmenschen bestand, aus 
der das Königtum hervorgegangen war. Theoretisch 
hatte das mittelalterliche Königtum den Zweck der 
Förderung des Volkswohls unter Hintansetzung der In 
teressen der Adelskaste. Jeanne d’Arc zum Beispiel 
kämpfte nicht nur gegen die englische Eroberung und 
Bedrückung, sondern namentlich auch gegen die auf 
sässigen Vaslallen des Königs von Frankreich, denn 
der König erschien ihr als die einzig mögliche Bet 
tung aus dem Elend der Kleinkriege und der Volks 
bedrückung durch Adel und Geistlichkeit. 
Dieser Kampf des mittelalterlichen Königtums 
gegen den Feudalismus war in Frankreich und Eng 
land mit Volkserhebungen beendet worden, die die 
Vorrechte des Adels beschnitten und die Staatsform 
mehr oder weniger demokratisiert hatten. Damit war 
in jenen Staaten die „Junkerfrage“ gelöst. 
Nicht so in Preußen. Unter dem ersten Preußen 
könig Friedrich I. waren die adeligen Rittergutsbesitzer 
östlich der Elbe zwar schon ebenso botmäßig geworden
	        
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