Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

101 
Diese Stimmung' und Furcht dauerte nicht allzu 
lange. Der König, die Junker und Beamten gewahr 
ten gar bald mit stillem Erstaunen die hilflose Gut 
artigkeit dieser Revolution. In der Tat: Die preu 
ßische Revolution, die ein halbes Jahr lang (vom 
April bis November 1848) Herrin einer Hauptstadt 
von 400,000 Einwohnern ist, über eine Bürgerwehr, ein 
Parlament und eine freie Presse verfügt und dabei 
so gar nichts zur Festigung des neuen Regimes tut, 
ist ein Unikum der Weltgeschichte. Welch ganz 
anderes Bild von Entschlossenheit und Zielsicherheit 
bietet uns nicht die neueste russische Revolution vom 
März 1917. Die siegreiche preußisch-deutsche Bour 
geoisie von damals dachte nicht einmal an die poli 
tische Machtlosmaohung des Adels, geschweige denn 
an Verhaftungen, revolutionäre Gerichte, Verbannung, 
Fallbeile und dergleichen schreckliche Dinge. Die 
grausigen Erinnerungen an 1789 und 1793, von denen 
der König und seine Ritter geplagt wurden, waren 
augenscheinlich nur Spukgebilde ihrer Aengstlichkeit. 
„Damals lagen wir alle auf dem Bauch“, sagte Fried 
rich Wilhelm IV. später einmal im Kreise seiner Ge 
treuen. Sie blieben nicht lange in dieser allzu volks 
freundlichen Lage. In Paris war die Junirevolution 
der Niationalwerkstätten blutig niedergeworfen worden 
und die besiegte Reaktion schöpfte neuen Mut in 
Europa. Auch in Potsdam schämte man sich seiner 
eben noch gezeigten Erbärmlichkeit, und bereits im 
.Sommer 1848 bildete sich hier eine Art junkerlicher 
N eb enregierung. 
Nach der Revolution: Die Junkerkamarilla. 
Hier begann die Bildung jener erzreaktionären 
Junkerkamarilla, die Preußens Strafe für seine revo 
lutionäre Kühnheit und zehn Jahre lang Preußens 
größte Schmach werden sollte. Wen dieses Kapitel 
der preußischen Hausgeschichte interessiert, der möge 
darüber die zwei dicken Bände „Denkwürdigkeiten“ 
des Herrn von Gerlach nachlesen. 
Aus dieser Zeit datiert auch das Hervortreten der 
„Neuen Preußischen“ alias „Kreuz-Zeitung“, die das
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.