Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

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Faust den Machtwillen des Junkertums brechen, das 
heißt Preußen modernisieren. Bis jetzt hat noch kein 
preußischer König 1 diese eiserne Faust besessen, und 
es ist höchst unwahrscheinlich, daß je einer sie be 
sitzen wird. 
Wilhelm I. war dem alten System abgewandt, weil 
i hm die Unanständigkeit des Hofkliquen Wesens zu 
wider war. Die Verfassung zu halten war ihm eine 
zwar schwere, aber doch hehre Pflicht. Er sprach das 
gleiche bei der Bildung des neuen Ministeriums aus, 
als er sagte: „die Regierung dürfe sich nicht von so 
genannten liberalen, in Wahrheit überspannten Ideen 
fort und fort in das Unbestimmte treiben lassen“. 
Und seinem Schwager in Weimar schrieb er, er wolle 
der Welt zeigen, „daß es möglich sei, selbst mit einer 
mißlichen Verfassung zu regieren, wenn man eine 
konservative Basis beibehalte und Ehrenmänner zur 
Durchführung eines solchen Systems als Helfer er 
wähle“. 
Obgleich also der neue König zunächst eine den 
Junkern feindliche Miene aufsetzte, hatten die Junker 
bei dieser Auffassung doch im Prinzip von vornherein 
gewonnenes Spiel. Sie brauchten nur lauter und 
immer lauter über die Gefahren der Demokratie, die 
Demütigung der alten preußischen Krone und das 
Heraufkommen der Republik zu schreien und sie 
durften sicher sein, damit ein immer aufmerksames 
Ohr zu treffen. Die Mannen der „Kreuz-Zeitung“ er 
mangelten nicht, dieses Rezept anzuwenden. 
Wilhelm I. hatte die Kamarilla beseitigt. Aber 
als „leidenschaftlicher Soldat“ (an allen Hohenzollern 
rühmt man ihr leidenschaftliches Soldatentum) schaffte 
er etwas ganz neues, das den Hofjunkern Ersatz bot: 
das Militärkabinett. Mit dem Leiter dieses Kabinetts, 
dem General von Manteuffel, begann die planmäßige 
Vorbereitung der bismarcksohen Kriege. Zunächst 
wurde eine große Heeresreform verlangt und den 
Kammern zur Beratung vorgelegt. Mit der Berufung 
von Roons zum Kriegsminister erhielt der Liberalis 
mus der neuen Aera einen ersten schweren Schlag, 
von dem er sich nicht erholen sollte. Gleich bei seiner
	        
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