Full text: Almanach der Freien Zeitung (1918)

- «i S ‘'' 1 - V 
124 
vor der russischen Märzrevolution von der Notwendig 
keit der „Befreiung - “ — wir kennen sie — der russischen 
„Fremdivölker“ vom „reaktionären“ Moskowitertum 
sprach? 
Und weiter — wer hat Herrn Philipp Scheide 
mann beaufträgt, sich — wie er’s noch vor andert 
halb Jahren tat, ehe ihm die Erleuchtung- des „Ver- 
ständig-ungsfriedens“ warid — zuim Fürsprech der 
Flamen und Polen aufzuwerfen? Polen und Flamen 
doch nicht! 
Wer anderswo intervenieren will, darf sich nicht 
beklagen, wenn bei ihm interveniert wird. Immer 
hübsch bei der Gegenseitigkeit bleiben. 
Und dann: können nicht die Alliierten, wenn sie 
die Beseitigung der Hohenzollern als Friedensbedin 
gung aufstellen, sich auf ein großes historisches Ana 
logon berufen? Auf Iden Fall Napoleon, beziehungs 
weise auf Napoleons Fall? 
Nach französischer Auffassung waren die Kriege, 
die von 1792 an Europa erfüllten und verwüsteten, aus 
dem Angriff der alliierten Mächte auf Frankreich ent 
sprungen. Frankreich fühlte sich ruchlos überfallen: 
wie heute noch das offizielle Deutschland. Daß die 
Kriegserklärung von Frankreich (von dem Gironde 
ministerium Ko lanld -Dumo u riez) ausgegangen war, 
wurde als rein formal betrachtet: wie heute der nicht 
wegzuleugnenlde, wenn auch vom alten Bayernkönig 
vergessene Umstand, daß 1914 Deutschland an Ruß 
land und Frankreich den Krieg erklärt hat. Deutsch 
land beruft sich auf die russische Mobilmachung, 
Frankreich — wahrscheinlich mit größerem Recht — 
auf die Zettelungen von Pillnitz und Koblenz. In 
beiden Fällen rechnete man auf Englands Neutralität; 
in beiden Fällen war die Enttäuschung groß und die 
Wut kindisch. In beiden Fällen wurde aus dem von 
der breiten Volksmasse gutgläubig hingenommenen 
Verteidigungskrieg ein nackter Eroberungskrieg. In 
beiden Fällen billigten die Volksvertretungen (soweit 
Senat Conservateur und Corps Legislatif Napoleons 
als solche anzusprechen sind) die Eroberungsziele, so 
lange die Sache gut ging, und proklamierten Ver-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.