Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

138 
sichern. Auch dies war ein ehrwürdiges Ziel, das in 
der österreichischen V olkstradition solange weiter 
lebte, daß man darauf noch die „Friedensziele“ des 
Dreibundes errichten konnte. 
Seither bildet die Kulturmission den Hauptinhalt 
des k. und k. Selbstbewußtseins der österreichischen 
Dynastie, wenn es auch Herzog Karl von Lothringen 
und der Polenkönig Johann Sobieski waren, die 1683 
den Großvezier Kara Mustapha schlugen. Mit der 
protestantischen Reformation, der Schwächung der 
Türkei und deren dem Weltfrieden eher förderlichen 
Haltung traten die hieratischen Aufgaben Oesterreichs 
im Orient etwas zurück: die Kulturmission richtete 
sich jetzt nach innen. Die energische Germanisierung, 
die Joseph II. in Gestalt von Einheits- und Reform 
bestrebungen im Reich zur Anwendung brachte, zeigt 
auch bereits den erbitterten Widerstand gegen die 
Kulturmission in der Monarchie selbst. Die Ungarn 
verbinden sich 1790 mit den Kroaten: die Habsburger 
als von Gottesgnaden auserwählte Dynastie und die 
Deutsch-Oesterreicher als von der Vorsehung bestimm 
tes Kulturvolk erfahren Widerspruch. 
Der Germanisierungseiifer Josephs II. war einfach 
die Reaktion auf das Abflauen der orientalischen Ab 
wehr- und Kulturmission, auf den Zerfall des außen 
politischen Ideals der Pragmatischen Sanktion. Die 
Respektlosigkeit gegen die habsburgische Dynastie 
geht so weit, daß die Ungarn, die allmählich die Funk 
tionen der Pragmatischen Sanktion gegen die Türken 
übernommen haben, und mit ihnen das Volk von Wien, 
Prag und Venetien, 1848 sich gegen die unmodern ge 
wordene Dynastie erheben. Damals, 1848, gelegentlich 
des ersten Slawenkongresses von Prag, verlangt man 
bereits die Auflösung Oesterreichs und eine Födera 
tion aller Slawen im Bündnisse mit einem demokra 
tischen Ungarn. Doch damals erheben sich auch die 
ersten Stimmen in Deutschland, die Oesterreich eine 
neue Kulturmission, gegen den Panslavism/us, zu 
weisen. Staatszweck Oesterreichs soll jetzt der Schutz 
der europäischen Kultur gegen das „barbarische“ Ruß 
land sein. Die europäische Kultur kommt aber seit
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.