Full text: Almanach der Freien Zeitung (1918)

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waren so eng in einandergepfercht, daß sie die Kälte 
nicht spürten. Die Luft war mit lauem Dampf er 
füllt, wie in einem Badezimmer, trübe schimmerten 
die elektrischen Lämpchen durch diesen Nebel. Der 
Typhus wütete bald unter dem Menschenklüngel und 
Tote und Lebende lagen nebeneinander. Die Nahrung 
war ungenießbar; viele hungerten lieber tagelang oder 
kauften sich, wenn sie in der Lage waren, von ihren 
Hütern um teures Geld Alkohol, u'm das unsagbare 
Elend zu vergessen. In Arad starben unter dieser Be- 
hanldlung 3000—4000 Personen. Als Zeugen für die Echt 
heit dieser Geschehnisse nennt der Redner den Unter 
präfekten von Grädiska und (drei Aerzte mit vollem 
Namen. 
In Doboj war es am schlimmsten. Die Umgebung 
dieser Stadt bildet den größten Friedhof dieser un 
glücklichen unld unschuldigen Opfer. In offenen Vieh 
wagen, der Kälte, dem Regen und Wind, dem Hunger 
und Durst, der Schlaflosigkeit preisgegeben, wurden 
serbische unld montenegrinische Gefangene mit bos 
nischen Flüchtlingen dorthin verbracht. Man schloß 
sie in Baracken, die vorher kranke Pferde beherbergt 
hatten, und zwar ohne daß die Räume gereinigt older 
gar desinfiziert worden wären. Die Gefangenen waren 
bald voll Ungeziefer unld den schlimmsten Krankheiten 
ausgesetzt. (Man rufe sich in Erinnerung, daß alle 
die hier erzählten Einzelheiten von der Tribüne des 
österreichischen Parlaments mitgeteilt wurden unter 
der namentlichen Amführung von zahlreichen Zeugen!) 
Ein vertraulicher Befehl des Serajevoer Militär 
kommandos ordnete die strengste und drakonischste 
Behandlung der Gefangenen an, und die Wärter be 
mühten sich auf jegliche Weise, die Geschändeten ins 
Jenseits zn befördern. Das beste und billigste Mittel 
hierzu war der Hunger. Die Suppe war derart, daß der 
Arzt Geber einmal erklärte, er würde nicht mal ge 
statten, (die Stiefel in diesem Kot zu waschen! Oft kam 
es vor, Idaß Kinder ihre den Leiden bereits erlegene 
tote Mutter rüttelten, um von ihr Brot zu verlangen! 
Anfänglich starben täglich 15—20 der Gefangenen; 
am 5. April 1916 waren es ihre 92. Nach zuverlässigen
	        
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