Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

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■etwaigen Ketzereien seiner Gefolgschaft scharf auf 
die Finger. Dem Zentrum saß noch vom Kulturkampf 
her Opposition im Blute, unld zudem hatten seine bäuer 
lichen und kleinbürgerlichen Wähler aus Schwaben 
und Franken wenig Lust, sich auf solche neumodischen 
norddeutschen Dinge einzulassen. Aber auch die Adep 
ten der Bismiareksbhule lehnten mißtrauisch das 
Schweifen in die unbestimmten Fernen einer luftigen 
Weltpolitik ab, und die Preußen von altem Schrot und 
Korn, Reaktionäre zu Hause, aber noch keine Aller 
weltsunterdrücker, nebst den Agrariern, denen die 
Fernhaltung nordamerikanischen und argentinischen 
Getreides das Wichtigste war, seufzten mit dem Doktor 
Diederich Hahn heimlich oder auch offen über die 
„gräßliche Flotte“. Und zu dem allem kam beim brei 
ten Publikum, so sehr es auch schon gegen England 
aufgehetzt war, das dunkle Gefühl, daß man mit der 
Flottenpolitik dem Konflikt mit England, das heißt 
einem Weltkrieg von unübersehbaren Dimensionen, 
entgegensteuere. 
Tirpitz ist aller dieser Schwierigkeiten Herr ge 
worden. Wer sich dieses Weltkrieges freut, der möge 
ihn darob rühmen . . . 
Da Schreiber dieser Zeilen nicht über stratege- 
männische *) Erleuchtungen verfügt, verzichtet er auf 
eine „Würdigung“ der marinistischen Leistungen des 
Tirpitz. Er überläßt es Berufeneren, zu entscheiden, 
ob z. B. Tirpitz die Bedeutung der Unterseeboote vor 
dem Kriege richtig erkannt hat, Wozu Tirpitz und die 
Tirpitzianer im Kriege das Unterseeboot gebraucht 
haben und noch weiter brauchen, ist bekannt genug. 
Wenn die Haifische eine Historiographie besäßen, 
würde sicher der von Tirpitz einen Ehrenplatz darin 
einnehmen. Er und seine Nachfahren haben diese 
lieblichen Tiere mit so viel Frauen- und Kinderfleisch 
gefüttert, wie noch niemand vor ihnen. 
Schweigen wir darüber. Aber werfen wir noch 
einen kurzen Blick auf Tirpitzens politische Tätigkeit. 
*) Anspielung auf den germanophilen Leitartikler und Militär 
kritiker des Berner „Bund“, Hermann Stegemann.
	        
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