Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

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nung für alle diejenigen sozlalistisohen Arbeiter und 
Intelligenzler ist, die dem Scheidemannseben Sozial 
patriotismus nicht mehr auf den Leim gehen wollen. 
Der revolutionäre Nimbus der schweizerischen sozia 
listischen Zirkel, die Internationalität des sozialisti 
schen Milieus in der Schweiz, dies alles erschien den 
deutschen Arbeitern eine genügende Bürgschaft da 
für, daß die Ideen von Zimmerwald wirklich eine Be 
freiung aus der unerträglichen Situation bieten. Doch 
statt Brot erhielten sie Steine. Die Zimmerwäldler 
überbieten sich gegenseitig darin, dem mit dem preu 
ßischen Absolutismus unzufriedenen deutschen Ar 
beiter die westeuropäischen Demokratien als viel 
schlimmer hinzustellen wie die Regierungen der 
Zentralmächte. Nur noch in der „Kreuz-Zeitung“ und 
in der „Deutschen Tageszeitung“ kann man in solchem 
ironischen und amoralischen Tone über obligatorische 
Schiedsgerichte und Demokratisierung der auswärtigen 
Politik reden hören, wie in den schweizerischen und 
deutschen Auslassungen der Zimmerwäldler. Die 
Zimmerwald-Doktrin ist die sozialistische Satisfaktion 
für die Propaganda eines Grafen Reventlow, sie findet 
in ihr nichts Verabscheuungs würdiges, — 'im Gegen 
teil, die Zimmerwäldler behaupten, daß die Painleve 
und Lloyd George nur heucheln und de facto eben 
falls Reventlows anderer Muttersprache sind. 
Der Zimmerwaldisimus und seine verhängnisvolle 
Wirksamkeit in Rußland ist bekannt. In Rußland ent 
stand eine Revolution, ohne Zustimmung von Herrn 
Nationlrat Grimm (was entschieden ein Akt der Un 
disziplin ist). Die Revolution war ihrem Wesen nach 
demokratisch, durch den Krieg gegen Deutschland 
verlor die Fremdherrschaft des deutschen Zarismus 
ihre moralische Macht. Nach (dem Prinzip „Divide et 
Impera“ schmuggelte die russische Zarenklique in die 
Revolution den Klassenkampf hinein. Durch künst 
liche Transportkrisen und Polizeibrutalität bei rein 
ökonomischen Streiks wollte sie eine sozialistische Be 
wegung inszenieren, die die demokratische Bewegung 
teilweise einschüchtern, teilweise durchkreuzen sollte. 
Das Gerechtigkeitsgefühl der* nichtproletarischen
	        
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