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Wie aber erklären Sie den Widerspruch, der
darin liegt, daß Sie mit der Geheimdiplomatie der
kapitalistischen Regierungen der Zentralmächte ver
handeln wollen, während Sie offensichtlich der Geheim
diplomatie der Entente die Satisfaktion hierzu ab
sprechen'?
Es fehlt wahrlich nicht an Beweisen dafür, daß
die Diplomatie der Zentralstaaten sich nicht sehr weit
vom Geist der Talleyrand und Metternich entfernt hat.
Ich erinnere Sie daran, daß dem Friedensangebot
vom 12. Dezember 1916 der rücksichtslose Untersee
bootkrieg, der großen Budapester Rede Czernins die
italienische Offensive, der Antwort auf die Papstnote
das. experimentelle Pressemanifest über Polen, Litauen
und Kurland folgte, und daß Herr von Kühlmann
noch nie eine so schlecht prädestinierte Rede gehalten
hat, als am 30. November, als er die berechtigte Hoff
nung hatte, die von Petersburg der Welt verkündeten
Prinzipien „als einen geeigneten Vorschlag für eine
neue Gruppierung der Dinge im Osten“ ansehen zu
können.
Eingangs dieser Rede hat Herr von Kühlmann
überdies, ohne zwischen russischer Regierung unid
Rußland zu spezialisieren, von Rußland gesprochen,
„das die Kriegsfackel in die Welt schleuderte“. Die
ganze Welt ist sich über die Schulfrage einig, und
selbst der gewiß nicht radikale Viktor Adler hat nach
drei Jahren Krieg, die nicht genügten, um das Ge
wissen der Welt zu töten, resignierend die Schuld der
österreichischen Regierungspolitik eingestanden.
In einem Manifest der ausländischen Vertretung
der Bolschewiki steht der belangreiche und folge
richtige Satz: „In den Händen der deutschen Arbeiter
liegt jetzt die Entscheidung über den Frieden.“
Es dünkt mir, daß Sie, Ulianow Lenin, als revo
lutionärer Sozialist, gestützt auf die ungeheure Macht
des Geistes der russischen Revolution, die zu fürchten
die Zentralstaaten mehr Anlaß haben als die „russische
Dampfwalze“, der imperialistischen Regierung der
Zentralmächte das Zugeständnis abzwingen müßten,