Full text: Almanach der Freien Zeitung (1918)

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achten, nichtsdestoweniger von der Allgemeinheit zn 
praktischer Anwendung gebracht werden könnten; 
und Handlungen, wie wir sie vom Einzelnen erwün- 
schen, betrachten wir als undurchführbar und phan 
tastisch für die Allgemeinheit. Die Wahrheit ist, daß 
das unermeßliche Weh der Stunde — daß in der Tat 
die ganze 'Geschichte des 'Menschen — diesen teuf 
lischen Dualismus widerlegt. Und die Gesalbten des 
Herrn halben uns immer wieder gepredigt, daß es nur 
ein einiges Leben gebe; was Gesetz, was gut oder 
wahr, sei Wahrheit, Rechtlichkeit und Gesetz überall. 
Und in seltenen Augenblicken moralischer Erleuch 
tung begreifen wir auch den Bankerott der den Ge 
boten des Geistes und des Mitgefühls entratenden ma 
teriellen Macht; sie hat sich von jeher als unfähig 
und trügerisch erwiesen und hat das Menschen 
geschlecht von Abgrund zu Abgrund geführt — vom 
Untergang Aegyptens und Israels bis zum Untergang 
von Athen und Rom; von der Finsternis und den 
Schrecken des mittelalterlichen bis zu den unfaß 
baren Greueln des heutigen Europa. 
Und so handelte Präsident Wilson, indem er sich 
der Strömung dieser Zeit entgegenstemmte, mit außer 
ordentlicher politischer Kühnheit und Zuversicht. Er 
ruft die Nationen auf zu einer gemeinsamen Unter 
nehmung, die, wenn sie glückt, den alten Konkurrenz 
kampf und das Leid der Welt in gemeinsame schöp 
ferische Arbeit und Freude verwandeln müßte. 
Ich möchte Wilsons Sehertum und staatsmännische 
Kunst keineswegs übertreiben. Ich gebe seine früheren 
Irrtümer zu und beklage seinen Mangel an Einsicht 
in seinem Verhalten zu Deutschland, obgleich der 
Glaube an diese Irrtümer sich mehr als ein schein 
barer, denn als wirklicher erweisen dürfte. Mögen sein 
Zaudern und seine Geduld sich fr echtfertigen lassen 
oder nicht, jedenfalls besteht er heute auf einer Me 
thode, auf einer Weltgerechtigkeit, welche Angriffe 
auf die Menschheit, wie sie Deutschland unternahm, 
für immer unmöglich machen wird.
	        
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