liat den moralischen Zusammenbruch nicht verhindern
können.
Der Kupferprozeß *) beleuchtete blitzartig die Kor
ruption der kapitalistischen Intrige, unid neben dem
täglichen Lebensmittel Wucher blüht und gedeiht der
politische Wucher, von dessen Zinsen die „Deutsche
Vaterlandspartei“ ihr Parasitendasein fristen dürfte.
Die „heiligsten Güter“ der Nation sind Verdauungs
fragen geworden. Die staatliche Gemeinschaft ist
längst eine Fiktion, und auch die starke Grundfarbe
des Nationalismus hat es nicht verhindern können,
daß das Volk sich in den ziellosen Kampf um das
nackte Leben stürzte. Nirgends mehr sind Forderun
gen, Ziele, Prophezeiungen. Alles ist zum Zweck ge
worden und ohne Rücksicht auf die Gemeinschaft,
ohne Rücksicht auf die Gesetze der Moral, ohne Rück
sicht auf das hohe Evangelium der Liebe behauptet
sich der einzelne auf Kosten von tausend anderen.
Wir finden in dieser Auffassung eine Reproduktion
deutscher Politik. Sie, der jedes Rückgrat, jede Füh
rung fehlt, hat den Zusammenbruch der öffentlichen
Moral beschleunigt, und neben diesem Zusammenbruch
der öffentlichen Moral erleben wir die Katastrophe
des Zusammenbruchs jener politischen Moral, die seit
nunmehr 40 Jahren am Abgrund der Unmenschlich
keit triumphierte, um endlich vom Gewissen der Welt
in den Abgrund gestoßen zu werden.
MOEAL ODER UNMORAL
IN DER AUSWÄRTIGEN POLITIK?
von Dr. H. Schlieben, Reichskonsul a. D.
(Nummer 8, 9. Mai 1917.)
Moral oder Unmoral, was sollen wir wählen in
der hohen Politik? Diese Frage stellte der Schreiber
dieser Zeilen, der sich als junges Mitglied des aus
wärtigen Dienstes um die Jahrhundertwende herum
mit diesem schwierigen Problem schon abplagte, dem
bekannten amerikanischen Staatsmann Karl Schurz,
*) Der Schwiudelprozeß der Margarete Kupfer in Berlin.
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