Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

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TJnid am 7. August erschien im Aufträge des Bun 
desanwalts Stämyfli auf unserer Redaktion ein Herr 
Jost, Polizeik ommissär, mit Begleitung und behauptete, 
er hätte die „Freie Zeitung“ im Verdacht, an der Her 
ausgabe der bekannten nachgeahmten „Frankfurter 
Zeitung“ beteiligt zu sein. Er nahm ein umfassendes 
Verhör vor, in dessen Verlauf die „Frankfurter Zei 
tung“ immer mehr in den Hintergrund, uhd das Be 
streben, den Namen des unter dem Pseudonym „Grac 
chus“ schreibenden Mitarbeiters zu erfahren, in den 
Vordergrund trat! Die Redaktion lehnte die Nennung 
natürlich ab. Daraufhin wandte der Herr Polizei 
kommissar sich an die Buchhalterin, erklärte ihr in 
brutalem Tone unter Vorweisung eines Blancohlaft- 
befehls des Bundesanwalts Stämpfli, er sei berechtigt, 
hier jedermann sofort zu verhaften und den „Betrieb“ 
sofort zu schließen und verlangte die Herausgabe des 
gesamten Adressenmaterials unserer Mitarbeiter, das 
ihm angesichts der persönlichen Bedrohung mit Ver 
haftung ausgehändigt wurde. 
Hierauf wurde Haussuchung vorgenommen, in 
deren Verlauf die Herren nach und nach immer 
stiller und milder wurden, um sich schließlich unter 
starker Verschwendung von Entschuldigungen und 
Höflichkeiten zu empfehlen. 
Von uns angestellte Ermittlungen bei den Behör 
den ergaben ein überraschendes, ja unglaubliches Re 
sultat. Man meinte zynisch, der Fall 'mit der „Frank 
furter Zeitung“ sei ja nebensächlich, man habe ihn 
nur benutzen wollen, um auf jeden Fall Einblick in 
die Verhältnisse der „Freien Zeitung“ zu bekommen 
und zu sehen, wer „hinter ihr“ stehe. 
Die „Freie Zeitung“ hat ein gutes Gewissen. Hinter 
ihr stehen politische Ideen, Ideale und Idealisten; und 
wenn sie nicht alle Namen der bei ihr beteiligten Per 
sonen preisgeben kann, so geschieht das aus Gründen, 
die in jeder Beziehung ehrenhaft sind und deren Be 
rechtigung in der politischen Unfreiheit Deutschlands 
liegt. Wir wollen nicht, daß durch Indiskretion unsere 
Mitarbeiter hier und auswärts der Grenze aufs 
schwerste bedrängt werden können. Aber gegen eine
	        
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