relatives Verständnis für notwendige Reformen ist
ihnen verdächtig. Bismarck gehörte als neugebackener
Fürst nur dem preußischen, nicht 'dem hohen deutschen
Adel an nnd war insofern weit weniger vornehm als
der aus mediatisierter, „ebenbürtiger“ Familie stam
mende Fürst Hohenlohe. Trotzdem gehört ein Herr
v. Bismarck ebenso wie ein Herr v. Biilow auch ohne
den Fürstentitel schon dem Uradel an. Auch die
Caprivi zählen Jahrhunderte lang zum bekannten
Adel. In der deutschen Diplomatie ist die kaiserliche
Gnadensonne das eigentliche Lebenselement.
Oesterreich-Ungarn verfährt auf diesem Gebiete
ähnlich. England befolgt das gegenteilige Prinzip: es
sucht im Mutterlaüde, in den Kolonien und besonders
in den Parlamenten die fähigsten Köpfe zu entdecken,
um sie in der hohen Diplomatie zu verwenden. Ihr
Stammbaum spielt bei den Briten ebensowenig eine
Rolle wie derjenige ihrer französischen, italienischen
öder amerikanischen Kollegen für deren „Carriere“.
Und doch wird auch der schlimmste Feind Englands
nicht behaupten wollen, Englands Diplomatie arbeite
ungeschickt. Ich glaube, ein Philipp Eulenburg wäre
bei den Briten undenkbar, ein Disraeli (Beaconsfield)
oder Lord Cromer bei den Preußen. Wie wenig der
deutsche Geschmack bei Auswahl der Missionschefs
zuiii Wöhle des Reiches ausgeschlagen ist, beweist die
Vorgeschichte des Weltkrieges. Mir ist bekannt, daß
einige andere Bundesglieder, wie zum Beispiel Bayern,
in bezug auf „Auswärtiges“ etwas mehr zu sagen
haben als die übrigen dii minores imperii. Aber auch
dieser Umstand hat es nicht verhindern können, daß
eigentlich außer Marschall von Bieberstein kein deut
scher Auslandsvertreter etwas Bleibendes geschaffen
hat. Und der soeben Genannte — ist der geistige Vater
der türkischen Intimität. Um diese scheint aber die
übrige Welt Deutschland nicht gerade zu beneiden.
Wer deutsche diplomatische Art studieren will, der
lasse sich einmal von einem nichtdeutschen Teil
nehmer an den Haager Konferenzen in diese inter
essante Materie einführen. In Zukunft darf nicht mehr
der deutsche Kaiser auswärtige Politik „machen“. Er