Full text: Almanach der Freien Zeitung (1918)

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Preußisches Militär, von zwei Offizieren kommandiert, 
besetzte den Bahnhof des luxemburgischen Grenz 
dorfes Ulflingen und zerstörte die Bahnlinie in einer 
Länge von zirka 150 Meter auf luxemburgischen Boden. 
Auf den energischen Protest der luxemburgischen Re 
gierung hin zog man das Militär zurück und Berlin 
telegraphierte: „Befehle seien falsch verstanden wor 
den, es liege ein Irrtum vor“ . 
In der Mitternachtsstunde desselben Tages widder 
holte sich der „Irrtum“, nur waren diesmal die Be 
fehle richtig verstanden worden. Und am Morgen des 
2. August strotzten die Straßen des überfallenen Groß 
herzogtums von Feldgrauen und Kanonen. — Was be 
weist besser, als eiben dieser „Irrtum“, den Vorbedacht 
Deutschlands und damit dessen Schuld am Weltkriege 1 ! 
Welches waren nun die Vorwände zu diesem dop 
pelten Verbrechen — denn Deutschland als Garantie 
macht des Londoner Vertrages von 1867 hatte nicht 
nur die Pflicht, die Neutralität Luxemburgs zu achten, 
sondern auch zu schützen — 7 
Hören wir die Antwort des Herrn von Jagow auf 
den Protest der luxemburgischen Regierung: „Zu un- 
serm größten Bedauern sind die militärischen Maß 
nahmen unvermeidlich geworden, dadurch, daß wir zu 
verlässige Nachrichten haben, wonach französische 
Streitkräfte im Vormarsch auf Luxemburg sind . . .“ 
Herr von Bethmann-Hollweg: „Unsere militärischen 
Maßnahmen bedeuten lediglich Maßnahmen zur Siche 
rung der dortigen Eisenbahnen . . .“ 
Ueber Herrn von Jagows Lüge will ich kein Wort 
verlieren. Des damaligen Kanzlers Antwort jedoch 
muß erwogen werden, denn sie ist so zynisch, daß sie 
im deutschen Weißbuch stehen könnte. Noch im Jahre 
1902 hatte das Deutsche Reich feierlich sein Verspre 
chen erneuert, daß „Deutschland niemals sich der 
luxemburgischen Eisenbahnen bedienen dürfe, sei es 
zum Transport von Truppen, Kriegsmaterial oder Mu 
nition . . . .“ Ferner auf demselben „Fetzen Papier“: 
„Die Eisenbahnen Luxemburgs während eines Krieges, 
in den Deutschland verwickelt würde, nicht zu be 
nutzen . . .“ (Vertrag vom 11. November 1902.)
	        
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