47
hält sie dort stundenlang eingeschlossen, und manch
mal zwei ganze Tage lang ohne Nahrung, ohne Luft,
in bejammernswerten hygienischen Verhältnissen, be
vor man sie in das Land der modernen Sklaverei be
fördert. Das nennt der Generalgouvemeur v. Bissing:
eine auf die menschlichste Art vollführte Abführung!
Am Abend, nahe beim Bahndamm, hört man aus
den Viehwagen Haßäusbrüohe, die Klagen der Frieren
den und Hungernden, older auch, wenn der Mut wieder-
kommt, hört man die Hymne an das geliebte Vater
land, für das sie leiden, den glühenden, beinahe wilden
Gesang der Bräbaneonne, aus Trotz jenen zugeschleu
dert, die den Körper in die Sklaverei führen, aber keine
Gewalt über die Seele haben.
Warum lassen sich die Belgier wie eine Herde zum
Opfer führen, fragen sich vielleicht jene, die wissen,
daß sich die Belgier auf Iden Schlachtfeldern wie Löwen
behaupteten 1 Oh, wenn wir Widerstand leisten könn
ten! Wie viele Herzen schwellen, zittern bei diesem
einzigen Gedanken.
Trotzdem hätte mehr wie einer mit Gefahr seines
Lebens Widerstand geleistet, aber was ihn zurückhält,
das ist die Angst, gleichzeitig seine Stadt und seine
Angehörigen zu opfern, denn seit Beginn wehrte sich
der Eindringling durch Schreckensherrschaft und Un
gerechtigkeit und Androhung von Massens trafen
gegenüber jedem persönlichen Versuch des Wider
standes und Ungehorsams, und in zahlreichen Fällen
zögerte er nicht, seine Drohungen auszuführen.
Die Belgier bleiben ungezähmt. Diejenigen, die da
zu kommen, die notwendigen Mittel zusammenzubrin
gen und die feindliche Wachsamkeit mattzusetzen,
überschreiten die Grenze. Und wer sagt, wie viele
andere, die dasselbe versuchten, unter den feindlichen
Kugeln gefallen sind Oder in den Gefängnissen Deutsch
lands schmachten?
Und wie viele Männer, Frauen und schwache junge
Mädchen im besetzten Belgien dienen schweigend dem
Vaterland, täuschen die Wachsamkeit der Spione und
setzen ihr dunkles Opfer fort, trotz der Verdammung,