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alten hergebrachten Sinne als bloße Anerkennung (der
historischen Tatsache, daß diese beiden Provinzen
während zweihundert Jahren französisches Gebiet
waren, sondern vielmehr im moralischen Sinne des
Wortes dadurch, idaß das republikanische Frankreich
die Bevölkerung dieses Gebietes innerlich für sich
gewonnen und zu vollgültig anerkannten Franzosen
gemacht hatte.
Daran ändert die Geschichtsklitterung eines Grafen
Hertlings nichts. Das Preußen-Deutschland, dem er
als Reichskanzler vorsteht, kann einen historischen An
spruch auf Elsaß-Lothringen nicht begründen. Nicht
nur ist das heilige römische Reich (deutscher Nation
tot, sondern auch alle jene Feudalverhältnisse, durch
die das Elsaß einst dem ehemaligen Deutschen Reiche
verbunden war, sinld durch den Revolutionssturm aus
gelöscht worden. An ihre Stelle ist ein vollkommen
Neues getreten: Die Untertänigkeit unter eine ganze
Reihe kleinerer oder größerer Feudalherren wurde
verdrängt durch den Geist des modernen Staatsbürger
tums mit einer ausschließlich nach Frankreich hin
orientierten politischen Willensrichtung. Das fran
zösische Elsaß ist in seiner ganzen politischen Struktur
etwas anderes geworden, als das Elsaß des alten römi
schen Reiches deutscher Nation es war. Aus dem frü
heren bloßen geographischen Begriff, der eine Vielheit
verschiedener Souveränitätsverhältnisse umschloß,
wurde eine einheitliche Provinz der einen und unteil
baren französischen Republik. Diese Wandlung voll
zog sich jedoch nicht unter dem Drucke äußerer Ge
walt, sondern sie war die Frucht des gemeinsam er
lebten Geistes der Menschenrechte der großen Revo
lution.
So kann die Wegnahme von Elsaß-Lothringen
durch Preußen-Deutschland im Jahre 1871 nicht als Zu
rück erstattung alten deutschen Eigentums bezeichnet
werden, denn der frühere geographische Begriff Elsaß
hat zwar einmal vor dem westphälischen Frieden zum
alten Deutschen Reiche gehört, nie aber zu Preußen.
Dagegen muß die Losreißung Elsaß-Lothringens von
Frankreich wirklich als eine Verstümmelung bezeich