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Regierung' verhindern wollen und der Prozeß wurde
in einer Kaserne, bei verschlossenen Türen, verhandelt.
Alber von der Gelegenheit, Serbien den Krieg zu er
klären und das serbische Volk möglichst zu ruinieren,
wollten weder Wien, noch Budapest, noch Berlin Ab
stand nehmen. Bas ganze serbische Volk wurde zum
Schuldigen erklärt, in Serbien und außerhalb Serbiens,
und man schritt sofort zur Exekution. Die unerhörten
Grausamkeiten, die die kaiserlich-königliche Armee in
Serbien verübte, sollten die Sühne sein für ein ima
ginäres Verbrechen. Und diese an Attilas Zeiten er
innernde Handlungsweise erlaubt sich Herr Geheimer
Justizrat Köhler, einer der größten deutschen Juristen,
mit seinem Gel ehr tennamen zu decken!
Die Berliner juristische Fakultät hatte drei hervor
ragende Vertreter: Franz v. Liszt, den berühmten
Kriminalisten und Internationalisten, Otto Gierke, das
Haupt der germanistischen Rechtsschule, und Josef
Köhler, den Uüiversalisten und freiheitlichsten —
dafür wurde er wenigstens gehalten — unter den deut
schen Juristen. Was sind nun diese Größen im Laufe
des Krieges geworden'? Franz v. Liszt hat sich mit
einem Aufsatz in der „Frankfurter Zeitung“ vom 29.
Oktober 1916 unsterblich gemacht. Im selben Augen
blicke, da die Deutschen die Deportierung von zahl
reichen Belgiern durchführten, schrieb Professor v.
Liszt, die ideutsche Verwaltung in Belgien sei ein
Musterbild von völkerrechtlicher Korrektheit. Die
künftigen Okkupationen würden sich an das deutsche
Beispiel halten müssen, denn Deutschland hat, rief
Herr v. Liszt aus, mit seiner Handlungsweise iorü okku
pierten Belgien das Völkerrecht „fruchtbar bereichert“!
Otto Gierke ging einen Schritt weiter. Volle vierzig
Jahre hat Gierke gelehrt, daß das Recht nicht iden
tisch ist mit der Macht, daß es in der Idee des Gerech
ten wurzelt und daß demnach Recht und Macht zwei
grundverschiedene Kategorien bilden. Und jetzt, wie
denkt jetzt Professor Gierke darüber? In seinem Buche
„Unsere Friedens ziele“ (Berlin 1917), schreibt Gierke,
daß das Recht einfach der Ausdruck der Macht sei.
Erst schaffe die Macht einen Zustand und dann komme