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MITMENSCH.
Und da nun endlich überall in der Welt vom Geist und von den Geistigen
die Rede ist, so wollen wir uns gewiß nicht bei dem bloßen Worte be
ruhigen. Es geschieht noch nichts für den Geist, wenn ein Musiker Sinfonien
vor Musikfreunden klingen läßt, die nach seiner Hoffnung das Fühlen der
Menschen umheben; wenn ein Maler Bilder vor Eingeweihten ausstellt,
die nach seiner Überzeugung einen neuen Begriff vom Zusammenhalt der
Dinge geben; wenn ein Dichter Gesellschaftsromane schreibt, die seiner
Meinung nach aus demokratischen Ideen kommen; wenn ein Essayist alle
diese Fragen zur Erörterung stellt. Es geschieht nichts. Es wird nur viel
schlimmer. Denn eine Schicht von Menschen, deren Tatneigung ohnehin
nicht groß ist, glaubt, schon aus dem bloßen Mitmachen dieser Werke
etwas Geistiges getan zu haben.
Es ist aber heute nicht mehr zweifelhaft, was eine geistige Tat ist.
Diese Frage kann gar nicht mehr ehrlich gestellt werden. Sie ist uns allein
durch die Tat eines Volkes in ungeheuerster Weise beantwortet worden.
Vor unsern Augen.
Was dort geschah, ist kein „Ereignis“. Nicht ein Vorfall, der durch
einen neueren Vorfall, durch ein anderes Ereignis verdrängt werden könnte.
Es ist eine wirkliche Tat. Eine Tat ohne Symbolik, ohne Nebenbedeutung.
Tat, vorbereitet, gezeugt und geschaffen aus der tiefsten, langschwingendsten,
intensivsten Erhebung für den Geist. Und darum nicht mehr aus der Welt
zu räumen. Kein Mißerfolg, kein Verrat, kein Rückschlag mehr, so
Bitterstes auch noch eintreffen mag, kann die größte Entscheidung, die ein
Jahrhundert gesehen hat, wieder ungeschehen machen. Die Entscheidung
gegen die Macht, die Gewalt, die Unterdrückung; zum Geist, zur Freiheit
und zum Menschenrecht nach dem Plane der Idee.
Daß dies alles nicht Bluff, nicht Schiebung oder äußerlich auferlegte
Beeinflussung war, ersieht man aus der unglaublich vielfachen und frucht
bar um sich wirkenden Lebendigkeit des neuen Organismus: Von dem,
was im Ostlande geschah, erwartet jeder etwas. Der Politiker erwartet eine
Beeinflussung der Weltteile, der Marxist erwartet einen Aufschwung des
Klassenkampfs, der Militär erwartet eine Veränderung der Kriegslage, der
Pazifist erwartet Frieden, der Agent erwartet neuen Zwischenhandel, der
Sozialist erwartet neue Gemeinschaft, der Reporter erwartet neue Sensatio
nen, der Genosse der Finsternis erwartet sehr Böses für sich.
Jeder, der in den Handlungen der Menschen nicht nur Nützliches,