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keit bin ich mir selbst, und auch vor meinen Herrn will ich einst so treten, dass
er mich als das Höchstpersönliche erkennt, welches er, von aller Menschheit
streng unterschieden, einst schuf, und das er „Meta“ nannte.“ — Sternheim,
unerbittlicher Enthüller aller Verwelkung, ist der optimistischeste Lehrer der
wahren Menschenliebe und des Vertrauens zu den Kräften jedes Menschen
wesens aus dem Geiste. Ein Händedruck dem Kameraden der neuen Zeit, diesem
Dichter der neuen Geistliebe.
ßeonßard Trank: Ter DCefiner.
Erzählung (in Nr. 11. Jahrg. 1916 der Zeitschrift „Die Weissen Blätter“,
herausgegeben von Rene Schickele, Verlag Rascher & Cie., Zürich).
Von grösstem Mut, schöner Besonnenheit, höchster Anständigkeit der Ge
sinnung. Keine Erzählung. Die Erzählung (mit den Mitteln der psychologischen
Literatur) ist nur Vorwand. Ein Kellner verliert seinen Sohn, für dessen Er
ziehung er die Lebensarbeit leistet, durch den Krieg.
Er wird der Führer der Friedensrevolution. Symbolistisch gemeint: der
Kellner ist kein Individuum, sondern nur Einer von den vielen. Das Hauptstück
der Arbeit ist die grosse Rede des Kellners in der Arbeiterversammlung. Daraus
ein paar Sätze: „Es gibt heute in Europa keinen Menschen mehr, der nicht ein
Mörder ist! Nicht der Engländer, Franzose, Russe, und für diese nicht der
Deutsche, sondern in uns selbst ist der Feind. ... Das Nichtvorhandensein der
Liebe ist der Feind und die Ursache aller Kriege. Ganz Europa weint, weil ganz
Europa nicht mehr lieben kann. Ganz Europa ist wahnsinnig, weil es nicht mehr
lieben kann ....
„Wir dürfen uns nicht länger belügen und sagen: der Zar, der Kaiser,
der Engländer ist schuld.“ Robert legte langsam die Hand mit der Serviette
an die Brust: „Ich bin schuld. Und du bist schuld. Und du und du, nicht mehr
und nicht weniger als der Zar, der Engländer, der Kaiser und der Milliardär.
Denn auch die nur hatten, ebenso wie wir, die Liebe vergessen
Und jetzt wisset: die Liebe trägt in sich ein hartes Gebot. Die Liebe sagt:
wer nicht liebt, ist schuldig und böse und soll weichen, damit der Liebe auf Erden
keine Schranken mehr gesetzt werden können. Wir wollen fallen und sterben
dafür, dass der Liebe die Regierung Europas übergeben werde.“
Die Absicht der Erzählung ist, den Leser, jeden Leser, so weit zu bringen,
dass er in ähnlicher Lage Ähnliches aus sich heraus sage. Grosse und edle Ab
sicht: das vollkommene Bewusstsein des Zieles des Erzählens, das mehr ist und
höher steht als das Erzählen selber! —
Hier stehen also die Dichter Sternheim und Frank. Und drüben, auf der
andern Seite, wer steht da? Namen, die es gar nicht gibt, und die je nach
der Parole alles Gewünschte bedichten. Dann die Schar der geistig Feigen,
Unentschlossenen, Unsicheren, der Problemdichter; die sich nicht entscheiden
wollen und ihre Direktionslosigkeit für ein interessantes Thema halten. Und
zuletzt die alten berühmten Herren, die längst nur noch bei den Depeschensälen
der illustrierten Zeitungen in Achtung stehen.