Full text: Zeit-Echo (3(1917), 1. und 2. Juniheft)

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liehe Ewigkeit ? Und heute müssen .Sehende die Entwertung und rapide 
Relativierung des Goldes durch den Krieg feststellen. 
Unsere besten Zeitgenossen erheben die Hand, und mahnen uns, Schlag 
worten zum Trotz, die neuen Gesellschaftsbildungen mancher Staaten 
nicht für Wege zum Sozialismus zu halten, sondern sie als Kriegsmerkan 
tilismus zu erkennen. Aber auch darüber dürfen wir uns nicht täuschen, 
daß diese neuen staatsmerkantilen Zwangsformen nur durch ein halbes 
Jahrhundert sozialökonomischer Ideenvorbereitung möglich waren. Schreibt 
einmal einer das Kapitel von dem chaotischen Kontrapunkt der Geschichte 
im neunzehnten Jahrhundert ? Dann darf die Enthüllung jener wilden 
Zufallskreuzung nicht fehlen: Wie der grosse Rhythmus einer menschheit- 
lichen Volksumwälzung zur Gemeinschaft auf dem Erdball — in einem 
tollen Mißverständnis sich zu decken begann mit einem ökonomischen 
Rechtsstreit, der nur die materielle Umschichtung einer spezifischen Klasse 
propagierte. Dieser Absturz aller menschheitlichen Ziele ist eine Folge der 
unerhörten Kleingläubigkeit, in der ein Jahrhundert lang die umwälzungs 
bedürftige Gesellschaft sich das Maß der kleinsten Zufriedenheit gesetzt 
hat, glückselig schon, wenn eine Bewegung auch nur verschwommen ähn 
lich einer drängend nötigen Umschaffung unseres Lebens sieht. In absicht 
lichem Selbstbetrug ist man froh, Umwälzung der Gesellschaft schon mit 
bloßer Umlagerung der Vermögen zu identifizieren. Und diese Klasse ? 
Das Proletariat. Als ob es heute nicht schon längst eine unorganisierte 
Schicht der viel tiefer Bedürftigen um die ganze Erde herum gäbe, ein 
Unterproletariat von allen Seiten der Gesellschaft her; eine Leidenslegion 
von blutend Isolierten, so tief leidend, daß sie nicht einmal bisher sich 
organisieren konnten wie der hochmütige Gewerkschaftsmann; eine Kata 
strophenarmee von Verzweifelten, die bereit sind das Wunder zu empfangen, 
während den sozial und ökonomisch vorgeschrittenen Organisationsprole 
tarier schon lange allzu befriedigter Stolz auf Erreichtes in Angst vor dem 
Schritt zum Unbedingten hielt. 
Der blinde Wunsch, eine Partei zu bilden, statt einer Gemeinschaft für 
Geistesrevolution, die doch in Wahrheit nur unter dem Zeichen einer ab 
soluten schöpferischen Änderung des Bewußtseinsstandes der Welt mar 
schieren würde, führte zu der nie verzeihlichen Sünde: demokratischen 
Sozialismus gleichzusetzen mit Klassenkampf. Aber niemand hat, bei allen 
Nationen, den Krieg moralisch so stark unterstützt wie das gewerkschaftlich 
befriedigte Geschöpf des Klassenkampfes. Die bewußt organisierten Prole 
tarier aller Nationen sprachen dieselben Raubtierparolen, wie die früher von
	        
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