Volltext: Zeit-Echo (3(1917), 1. und 2. Juliheft)

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Gugen ßewin= Q)orscß: 
DER HERR DER NATUR 
Wir wissen, daß eine mit höchster Bewußtheit organisierte Grausamkeit 
unablässig am Werke ist, die zur inneren Übereinstimmung mit sich selbst und 
zur Geistigkeit bestimmte Gestalt der Menschheit zu verwunden und zu ver 
stümmeln ; und gleichzeitig glauben wir zu sehn, daß die Natur als ein Sinnbild 
des ewigen Friedens, als die sichtbar gewordene Idee der Einheit und als die 
Verkündigung des höheren Zusammenhanges alles Lebens sich vor uns hinstellt. 
Wem das Entsetzen und der zur Regel gewordene Schrecken des gegen 
wärtigen Schicksals durch eine beständige Vergegenwärtigung und durch 
eine von dem moralischen Gewissen aufs strengste geforderte Verdeutlichung 
dieses Leidens zum Besitze seines eigenen Lebens und Leidens geworden ist, 
der wird das reine und in jedem ihrer Teile geschlossene, ästhetische Bild 
der Natur wie einen unerbittlichen Vorwurf und eine unabweisbare Anklage 
empfinden müssen. Denn dieses Bild täuscht einen Frieden vor, der aus 
uns selbst geschwunden ist und bringt uns einen Genuß des Daseins in 
Erinnerung, zu dem wir die Kraft und alles Recht verloren haben. Als ob 
sich eine dunkle Wolke vor das leuchtende Gestirn des Geistes gestellt hat, 
entfaltet sich das Leben der Menschen in Schuld und Selbstzerstörung — der 
selben Menschen, auf die sich einst der Glauben richtete, daß sie durch 
die Kraft ihrer Vernunft, durch die ursprüngliche und überlegene Be 
stimmung ihres geistigen Wesens dazu berufen seien, die jetzt als Vorbild 
auftretende Natur zu überwinden, sich über ihre ungeistige Gesetzlichkeit 
zu erheben, die blmde Macht des Schicksals durch ununterbrochene, schöpfe 
rische Handlungen zu vernichten, sich selbst in Freiheit zu setzen und von 
dem Licht ihrer Erkenntnis das Licht des Himmels überstrahlen zu lassen. 
Aber die Fähigkeit zu erkennen und bewußt zu wollen, richtet an den 
Menschen in jedem Augenblicke seines Daseins die Frage der Wahl und 
der Entscheidung über sich selbst. Denn gerade weil er diese Kraft besitzt, 
vermag er durch einen verkehrten, ja zur Verschuldung hinführenden 
Gebrauch noch unter die Natur selbst, über die er sich stellen sollte, 
tief hinabzusinken. In ihr ist gar nichts anderes wirksam als jene sich in 
einem unendlichen und ziellosen Kreislauf erneuernde und wieder zerstörende 
Lebenskraft, als das ungeistige Gesetz, sich in ihrem kosmischen Bestände 
durch einen unablässigen Ausgleich aller Kräfte zu erhalten. Sie ist ganz 
und gar nur das, was sie in jeder einzelnen ihrer akzentlosen Zustandsver 
änderungen ist. Sie trägt in sich selbst keine Idee und keine Forderung,
	        
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