Full text: Zeit-Echo (3(1917), 1. und 2. Juliheft)

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sind machtlos geworden und werden täglich machtloser. Wir, die wir macht 
los waren, werden täglich lebendiger. 
Hätten sie gesiegt, so hätte ihr Prinzip, das Prinzip der Macht, der 
Gewalt und des Krieges, so hätte der Krieg gesiegt. Aber das Prinzip 
hat versagt. Der Krieg hat nicht gesiegt. 
Die Kampfhandlungen sind zwar noch nicht beendet. Aber jeder 
weiß schon heute, daß ihr Ausgang bedeutungslos ist. Für uns bedeutungs 
los. Und auf uns kommt es an. 
Ob die französisch-englisch-deutsche Front sich über Cambrai-Reims- 
Verdun, über Brüssel-Aachen-Köln, oder über Calais-Paris-Neapel zieht, 
ob das rumänische Heer in Rußland oder in Rumänien steht, das hat für 
die wichtigen Entscheidungen des Friedens, für die durch diesen Krieg 
und seinen Frieden geschaffenen oder schaffenden Grundlagen unseres 
Kampfes wenig oder nichts zu bedeuten. 
Ja, wenn es noch Entscheidungen, wenn es noch ,,Siege“ gäbe, wenn 
diese Fronten Brüssel-Köln oder Paris-Neapel überhaupt noch erreich 
bar, überhaupt noch möglich wären, so hätte die Fortführung des Krieges 
noch einen Sinn — im Sinne der Kriegsbejaher. Glaubt aber einer, 
glaubt nur ein Hottentott, glaubt nur ein Kriegslieferant im Ernst an 
diese Möglichkeit? 
Wenn heute fünf zerschossene Dörfer erobert werden, so gellen die 
Telegraphen „Sieg“! Ist es in Wahrheit ein Sieg, der in Betracht kommt? 
Wenn 100 Quadratkilometer zerstampfter Erde zurückgeholt werden, so 
muß der „Sieger“ 300000 und der Zurückgeschlagene 200 000 Menschen 
opfern. Eine halbe Million. Wofür? Für eine Entscheidung? 
Es gibt keine Entscheidungen mehr in diesem Kriege. Das mußte 
auch denen klar geworden sein, die gewohnt sind mit dem Krieg, d. h. 
mit Toten und Verkrüppelten zu rechnen. Jeder Kriegsrechner weiß 
doch eines: Nur der Sieg lohnt den Krieg. Der Sieg aber, der diesen 
Krieg lohnen würde, der ist unmöglich und wird unmöglicher mit jedem 
Tag. 
Die Berechner und Bejaher des Krieges haben sich verrechnet, ihre 
Kalkulation war falsch, ihr Geschäft ist mißglückt. Nie werden sie das 
zugeben. Nie werden sie einsehen, daß sie falsch gerechnet, das Blut 
ihrer Mitmenschen vergeblich, ja sogar in ihrem gemeinen Sinne, ver 
gossen haben. Ihre Berechnung, ihr Prinzip von der Rentabilität des 
Krieges wird verloren sein. Und sie mit ihm. Sie können sich nicht 
bekehren. Sie wollen am Leben, in Macht und Ansehen bleiben. Sie
	        
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