Volltext: Zeit-Echo (3(1917), August-September)

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Geistigkeit, steht die gesamte Geisteskraft unserer heutigen Menschen 
existenz über die Erde hin. Das ist wenig. Es ist aber tröstlich, daß 
immerhin soviel da ist! 
Folglich? Die Forderungen an jeden einzelnen von uns werden umso 
größer. 
Unsere nächste Forderung ist noch lange nicht das Glück. Nur: 
Menschlichkeit. Wir sind aber zu wenige, um uns auf den anderen ver 
lassen zu können. Wir müssen selbst anfangen; gleichviel, was darüber 
mit uns wird. Aber wie unendlich verzweifelt und unbeirrbar ist diese 
kleine Schar der Erdgenossen! Alles ist noch von uns zu tun. Nichts ist 
noch getan. Nur vorläufig ein Ziel genannt. 
Doch schon das bloße Nennen dieses Ziels macht gefährlich. Es geht 
auf uns, und an der Jagd, die jene kleinen Flämmchen neuer Menschen 
in die Zuchthäuser und in den Stacheldraht treiben soll, beteiligt sich die 
ganze entlarvte Gesellschaft, schwerstampfende Doppelsohlen, der Revolver 
und Gummiknüppel, Salonlackstief eichen, und einfache Denunzianten. 
Denn ihr, Völker, seid von euren Geistigen verraten. Eure Dichter, 
derem Mund es gegeben wäre, euer Wort hinauszuschreien, sind von den 
Regierenden gewonnen. Eure Künstler, die euren Drang zur Gemeinschaft 
unauslöschlich gezündet halten sollten, sind Schieber, Händler und Erfolgs 
maschinen. Eure Aufrührer, oh eure Revolutionäre — welch ein Kapitel 
— sind Beamte, die angstvoll die Revolte verstecken, solang das Amt noch 
funktioniert, und die weder den Menschen wollen, noch überhaupt irgend 
eine Änderung, solang sie sich dabei kompromittieren können. Und die, 
— wenn morgen die Welt von dem Drüberstreifen einer göttlichen Riesen 
hand ganz umgeschüttet und neu errichtet wäre —, wieder ihr Amt an- 
treten würden mit der Miene des: „Ich habs ja immer gesagt!“ 
* 
Wie schafft der Ausdruck der Gerechtigkeit sich unter den heutigen 
Menschen Bahn? 
Man hat die Pflicht, gemäß der Wahrheit, festzustellen, daß die edleren 
Werke dieser Zeit, die großen Stimmen, aufrichtige und zukunftführende 
Absichten ansagen, aber keine großen Kunstwerke sind. 
Die Gegenfeststellung ist: alle bloßen Kunstwerke dieser Zeit sind 
menschlich minderwertig. 
Der größte Menschlichkeitsroman Europas, das schönste Buch gegen 
den Nationalhaß, der stärkste Geschichtenband gegen die Art des Krieges: 
die alle könnten, ihrem Tone nach, im bürgerlichen Familienblatt stehen,
	        
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