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Der Herausgeber, der von einem höheren Standpunkt
parteilos verfahren zu sein hofft, scheut im Einzelnen
den Angriff nicht, da der Widerstand von allen Seiten
eine Notwendigkeit und Freude seiner dadaistischen
Existenz ist. Er freut sich vorher auf den Kritiker,
der behaupten wird, „das alles sei schon dagewesen“
oder Expressionismus, Futurismus und Cubismus
dort gefunden zu haben glaubt, wo der Dadaismus
sich darstellt. Der Dadaist hat die Freiheit, sich jede
Maske zu leihen, er kann jede „Kunstrichtung“ ver
treten, da er zu keiner Richtung gehört. Der Her
ausgeber hofft in diesem Buch zu zeigen, daß Dada
nichts mit „Verrücktheit“ zu tun hat. In letzter Zeit
haben sich viele Verleger aus Geschäftsrücksichten
und viele Dichter aus Ehrgeiz des Dadaismus be
mächtigt, indem sie durch blödes Gestammel die Auf
merksamkeit der Leute auf sich zu ziehen suchten.
Diese Individuen machen aus Dada die Religion
ihrer Hysterie, sie verabsolutieren das Nichts ihrer
Hohlköpfe. Dada ist eine Angelegenheit für Einge
weihte: quod licet jovi, non licet bovi. Dada lehnt
Arbeiten wie die berühmte „Anna Blume“ des Herrn
Kurt Schwitters grundsätzlich und energisch ab. Ich
übergebe dieses Buch dem Publikum einer Zeit, die
in ihrer Querköpfigkeit und in ihrem Eigensinn fast
eine heroische Geste erreicht hat. Die Zeit ist dada-
reif. Sie wird in Dada aufgehen und mit Dada ver
schwinden.
Charlottenburg, im Mai 1920.
Richard Huelsenbeck.